Mittwoch, 4. September 2013

Tankstellenshops: Pragmatik statt Unsinn



Um es vorweg zu nehmen – aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes bin auch ich dagegen, dass alle Läden rund um die Uhr geöffnet haben dürfen. So habe ich denn auch vor einem Jahr mit Überzeugung gegen die „Kunde ist König“-Initiative der FDP Kanton Zürich gestimmt, die eine vollständige Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten gefordert hätte.
Genauso überzeugt werde ich allerdings am 22. September 2013 JA zu der pragmatischen und sanften Realitätsanpassung des Arbeitsgesetzes stimmen.

Bedürfnis ausgewiesen
Heute ist es so, dass Tankstellen und von Tankstellen betriebene Bistrots rund um die Uhr ohne Bewilligung offen haben dürfen. Dazugehörige Shops dürfen täglich bis 1:00 Uhr nachts und am Sonntag geöffnet sein. Zwischen 1:00 und 5:00 Uhr müssen diese Shops nach heutigem Gesetz geschlossen werden.
Das SECO anerkennt zwar, dass Tankstellenshops nachts von vielen Kundinnen und Kunden aufgesucht werden, die aus Berufsleuten (z.B. Polizisten, Schichtarbeitende oder Taxifahrerinnen) und Menschen bestehen, die sich auf dem Heimweg von einem Kinobesuch oder einer Party befinden. Trotzdem erachtet es das SECO aber nicht für nötig, dass diese Shops um diese Zeit offen haben dürfen, zumal eine Schliessung der Shops „nicht von einen Grossteil der Bevölkerung als wesentlicher Mangel empfunden würde.“ Aha.

Dies führt also zur absurden Situation, dass Tankstellenbetreiber Personal die ganze Nacht durch zwar beschäftigen dürfen, dieses aber nur einen Teil des Sortiments in der Tankstelle verkaufen darf. In der ganzen Schweiz sind aktuell 24 Tankstellen (9 an Autobahnraststätten und 5 an Hauptverkehrswegen im Kanton Zürich) davon betroffen.

Moderate Anpassung
Um diese Sortimentsbeschränkung zu beheben, haben Bundesrat und Parlament beschlossen, die entsprechende Gesetzesbestimmung moderat aufzulockern. Während die FDP wollte, dass alle Tankstellenshops an Hauptverkehrsstrassen in der Nacht geöffnet sein dürfen, einigte sich das Parlament auf eine restriktivere Version. Gemäss dieser Version dürfen Tankstellenshops in der Nacht nur geöffnet sein (bzw. Personal beschäftigen), wenn sich diese an Autobahnraststätten oder an „Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr“ befinden. Das Sortiment muss weiterhin in erster Linie auf die Bedürfnisse von Reisenden ausgerichtet sein. Dies führt allerdings nicht dazu, dass alle Tankstellenshops, die diese Kriterien erfüllen automatisch in der Nacht Personal beschäftigen können. Die fraglichen Tankstellenshops müssen sich nämlich auch dann noch an die von den jeweiligen Kantonen bestimmten  Ladenöffnungszeiten halten.

Keine Verschlechterung von Arbeitsbedingungen
Um nur das geht es – und um nichts anderes in dieser Vorlage. Unter dem völlig unzutreffenden Namen „Sonntagsallianz“ warnen die Gegner vor mehr Sonntags- und Nachtarbeit sowie vor einem „24-Stunden-Arbeitstag“. Zumindest bei dieser Vorlage sind diese Befürchtungen kompletter Unsinn. Sonntagsarbeit ist heute bereits in den entsprechenden Shops erlaubt. Damit ändert sich weder bei einem JA noch bei einem NEIN auch nur das geringste. Der Name „Sonntagsallianz“ kann also nicht unpassender sein. An den Arbeitszeiten des Personals ändert sich in diesen 24 Shops auch nichts. Schliesslich werden die Arbeitszeiten mit dieser Vorlage nicht verlängert (das Arbeitsgesetz sieht strenge Bestimmungen für Nachtarbeit vor), sondern führen lediglich dazu, dass das Personal um 1:00 Uhr nicht einen Teil des Sortiments mühsam abdecken, wegsperren oder mit Ketten abschliessen muss. Die Bestrebungen von Bürgerlichen Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr zuzulassen haben denn auch nichts mit dieser Vorlage zu tun und können in allfälligen späteren Abstimmungen auch dann vom Volk abgelehnt werden, wenn man dieser Vorlage zustimmt.  

Anmassende Bevormundung
Man kann der Meinung sein, dass es nicht nötig ist, um 1:00 Uhr morgens eine Tiefkühlpizza, eine Bratwurst oder einen Cremedessert zu kaufen. Es ist jedoch ziemlich anmassend, mündigen Menschen vorzuschreiben, was sie zwischen 1:00 und 5:00 Uhr in der Nacht in einer ohnehin geöffneten Tankstelle an Lebensmitteln kaufen dürfen. Es geht schliesslich niemanden etwas an, ob die Polizistin auf ihrem Heimweg lieber eine Tiefkühlpizza mit nach Hause nimmt und dort aufwärmt oder ob ein Krankenpfleger Spaghetti und Tomatensaucen kaufen möchte, um sie zu Hause noch zu kochen. Dies soll nicht dazu führen, dass sämtliche Läden rund um die Uhr geöffnet haben sollen, aber wenn eine Tankstelle schon offen ist und Personal beschäftigt, soll die Kundschaft auch selber entscheiden dürfen, was sie im entsprechenden Shop an Produkten kauft. 

Kampf muss Arbeitsbedingungen gelten
Es ist wichtig, dass sich die Politik stark für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen. Dies muss aber über gute Arbeitsbedingungen geschehen. Dies kann von höheren Löhnen bis hin zu strengeren Ruhezeiten im Arbeitsgesetz gehen. Dem Personal ist aber überhaupt nicht gedient, wenn es zwar in der Nacht in einer Tankstelle hinter der Theke stehen und Hot Dogs verkaufen darf, der Kundschaft aber gleichzeitig erklären muss, warum sie keine Tiefkühlprodukte oder gekühlte Cremedesserts kaufen darf.

Bei dieser Vorlage geht es um eine moderate Anpassung des Arbeitsgesetzes, welche die Rechte der Arbeitnehmenden nicht verschlechtert, sondern lediglich eine unsinnige Sortimentsbeschränkung aufhebt. Betroffen davon wären schweizweit lediglich 24 Tankstellen. Wer am 22. September 2013 JA zu dieser Vorlage stimmt, kann später noch immer NEIN zu weiteren Liberalisierungen der Ladenöffnungszeiten stimmen. Wer JA sagt, stimmt nicht für schlechtere Arbeitsbedingungen des Verkaufspersonals, sondern gegen unsinnige Sortimentsbeschränkung, die dem Personal nichts nützt und die Kundschaft bevormundet. Deswegen stimme ich am 22. September 2013 pragmatisch JA zu dieser Vorlage und werde in Zukunft weiterhin NEIN zu vollständigen Liberalisierungsbestrebungen von Bürgerlichen stimmen. 

Mittwoch, 5. Juni 2013

Warum die Pride wichtig ist


Am Samstag, dem 8. Juni 2013 ist es wieder soweit. 

Wieder werden Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transmenschen und die aufgeschlossenen Heterosexuellen unter dem Motto All Families Matter an einem bunten Demonstrationsumzug für ihre Rechte demonstrieren und danach auf dem Turbinenplatz und an diversen Parties die jährliche Pride feiern. Nun, ein paar Hirnverbrannte werden sicherlich auch dort sein und uns mit netten Flyern zu überzeugen versuchen, dass wir auf dem falschen Weg sind und in der Hölle landen. Aber wenn man bedenkt, dass jedes Ereignis seine Clowns (und damit meine ich nicht die Drag Queens, die sind nämlich cool) hat, ist das nicht weiter verwunderlich. 

Braucht es die Pride noch?

Und jedes Jahr wird wieder die Frage gestellt, ob es die Pride überhaupt noch braucht. Wenn wir doch akzeptiert und so gleich behandelt werden wollen, müssen wir dann unsere separate Parade haben? Bringt es überhaupt noch was, für unsere Rechte zu demonstrieren? Schliesslich werden wir ja toleriert und Diskriminierung sind doch kaum noch vorhanden? Die Antwort ist ganz einfach: Und wie es die Pride braucht!

Ja, wir brauchen die Pride, um darauf aufmerksam zu machen, dass es uns gibt, dass wir ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind und als solchen rechtlich und gesellschaftlich vollständig und ohne wenn und aber anerkannt werden wollen! Ja, die Toleranz gegenüber Homosexualität hat sich selbstverständlich verbessert. Wir wollen aber nicht toleriert, sondern als vollständigen und gleichwertigen Teil der Gesellschaft akzeptiert werden. Und soweit ist es erst, wenn z.B. zwei Männer keine Angst haben müssen, verprügelt oder beschimpft zu werden, wenn sie sich händchenhaltend in der Öffentlichkeit bewegen. Soweit ist es erst, wenn eine homosexuelle Beziehung als gleichwertig angesehen wird, wie eine heterosexuelle Beziehung und man kein Sondergesetz wie das "Partnerschaftsgesetz" schafft (also eine "Ehe-light" für Homosexuelle), statt die Ehe auch für homosexuelle Paare zu öffnen. Soweit ist es erst, wenn wir Kinder adoptieren dürfen. Soweit ist es erst, wenn die Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen nicht um ein Vielfaches höher ist, als bei heterosexuellen Jugendlichen. Soweit ist es erst, wenn wir nicht mehr Angst haben müssen, bei der Arbeit oder in der Schule diskriminiert zu werden! Soweit ist es erst, wenn Diskriminierung von LGBTs (Lesbian, Gay, Bisexuals, Trans) als genau gleich verwerflich angesehen wird, wie Rassismus und gesetzlich entsprechend geahndet wird. Soweit ist es erst, wenn die Verfolgung von Homosexuellen und Transmenschen als Asylgrund anerkannt wird (statt den Betroffenen zu raten sich in ihrem Heimatland halt nicht zu outen). Soweit ist es erst, wenn solche oder solche offene Briefe oder solche Blogs nicht mehr notwendig sind. Erst wenn jeder und jedem in diesem Land und auf der Welt bewusst wird, dass Heterosexualität nicht normaler, sondern häufiger ist, erst dann haben wir die vollständige Akzeptanz erreicht. 

Es muss also noch einiges getan werden, bis eine Demonstration für unsere Rechte nicht mehr notwendig ist. Dabei sei daran erinnert, dass wir gerade in den letzten Wochen wieder schreckliche Bilder aus nicht allzu fernen Ländern gesehen haben, wo Prides verboten oder die Teilnehmenden attackiert wurden.  Aber selbst wenn die Demonstration für unsere Rechte irgendwann nicht mehr notwendig sein sollte, will ich diese Pride noch haben. Es geht bei der Pride nämlich nicht nur darum, für unsere Rechte zu demonstrieren, sondern auch darum, das Erreichte zu feiern. Wir können feiern, dass Homosexualität (zumindest bei uns) nicht mehr verboten ist. Wir können feiern, dass Homosexualität nicht mehr von der Weltgeshundheitsorganisation als Krankheit angesehen wird (als was sie bis 1992 galt). Und nicht zu vergessen der Ursprung der Pride (die ja eigentlich Christopher Steet Day heisst), als 1969 Homo- und Transmenschen sich in New York gegen Razzien und Verhaftungen durch die Polizei wehrten und sich deswegen tagelange Strassenschlachten mit der Polizei lieferten.

Zerstören die Paradiesvögel unseren Ruf?

Immer wieder hört man, dass die Bilder, die in den Medien über die Pride portiert werden, den "Ruf der Schwulen und Lesben zerstören." Immer wieder heisst es, dass die schrillen Drag Queens, die Transvestiten oder die halbnackt tanzenden Männer ein falsches Bild vermitteln und Vorurteile uns gegenüber zementieren würden. Nur schon dieser Gedankengang zeigt, wie wichtig die Pride ist. Wem und warum müssen wir irgendwas beweisen? Wie kommen wir dazu, das Gefühl zu haben, irgendetwas würde Vorurteile gegen uns rechtfertigen? Wie kommen wir dazu, uns nach irgendeinem Muster verhalten zu wollen, in der verzweifelten Hoffnung, dass wir dann gnädigerweise als das akzeptiert werden, was wir sind: genau gleichwertige Menschen wie Heterosexuelle. Egal wie die Leute aussehen oder wie ausgelassen sie tanzen, es darf nicht sein, dass sich irgendjemand darum sorgt, ob Vorurteile gegen uns zementiert werden. Denn Vorurteile sind inakzeptabel. Punkt. Egal ob sie sich gegen den "weiblichen Schwulen", die "männliche Lesbe", die "Federboas" oder die "Paradiesvögel" richten. Wir sind eine Community und gehören alle unter denselben Regenbogen. Ich will nicht akzeptiert werden, weil ich in Alltagskleidung rumlaufe. Wer mich akzeptiert, soll gefälligst einen Transmenschen oder eine Drag Queen genauso akzeptieren. Akzeptanz gibt es nicht in Sonderpackungen. Entweder man akzeptiert jedes einzelne Mitglied unserer Community oder niemanden. An dieser Stelle sollte vielleicht nochmals in Erinnerung gerufen werde, wie die Pride (also der Christopher Street Day) überhaupt entstanden ist: Es waren genau solche Transvestiten (die jetzt angeblich unseren Ruf zerstören sollen), die sich als erste der Schikane und den Razzien der Polizei widersetzten und an vorderster Front in tagelangen Strassenschlachten für unsere Rechte kämpften. Und überhaupt: Die Street Parade beispielsweise ist auch eine Parade für Liebe, Toleranz und Freiheit. Und auch da gibt es viele verkleidete Leute. Käme es jemals jemandem in den Sinn, zu befürchten, diese Leute würden den Ruf der Heteros zerstören?

Gay by Nature - Proud by Choice

Viel wurde erreicht, aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen und einfach nur hoffen, dass weiterhin alles so bleiben wird. Es gibt religiöse Strömungen, die uns bekämpfen wann und wo sie können. Dies haben wir in den letzten Wochen eindrücklich am Beispiel des vermeintlich liberalen Frankreichs gesehen, wo Demonstrationen gegen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Menschen zu massiven Ausschreitungen führten und zahlreiche Übergriffe an Schwulen und Lesben vorkamen. Diesen Strömungen müssen wir die Stirn bieten und der Gesellschaft zeigen, dass wir eine andere sexuelle Orientierung (oder Geschlechtsidentität) haben und trotzdem ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft darstellen. 

Daher lasst uns zeigen, dass wir stolz darauf sind, schwul oder lesbisch zu sein. Und zwar nicht stolz  auf die Tatsache, dass wir schwul oder lesbisch sind (für unsere sexuelle Orientierung können wir nichts, auch wenn ein paar Ewiggestrige das noch immer nicht begriffen haben), sondern stolz darauf, dass wir zu uns stehen können. Stolz darauf, dass wir uns unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft haben, trotz massiver Gegenwehr und Hetze konservativer Ewiggestriger. Stolz darauf, dass wir mit unserer Sexualität zufrieden sein können und uns nicht mehr dafür schämen oder gar heilen lassen müssen (obwohl es noch immer religiöse Vereine gibt, die Heilungstherapien anbieten -auch in der Schweiz). Und alle Heterosexuelle, die am Samstag dabei sein werden, können ebenfalls mit Stolz zeigen, dass sie uns als vollständigen und gleichwertigen Teil der Gesellschaft akzeptieren.

Und an all jene, die uns verfluchen oder bemitleiden und uns entweder auf den Mond schiessen oder heilen wollen: Schaut genau hin. Wir sind viele, wir gehen auf die Strassen, wir feiern und wir kämpfen für unsere Rechte! Natürlich werdet ihr nicht aufgeben und weiterhin eure bestenfalls gut gemeinten Heilungsratschläge, schlimmstenfalls eure hasserfüllten Tiraden auf uns loslassen und gegen unsere Rechte kämpfen. Aber ihr werdet scheitern. Diskriminierungen sind ein Auslaufmodell, darum überdenkt doch nochmals eure Prioritäten. 

In diesem Sinne: HAPPY PRIDE!

Das Programm der Pride kann hier abgerufen werden. 

Freitag, 3. Mai 2013

Asylgesetzrevision: Es trifft die Falschen

„Missbrauch stoppen“ prangerte auf sämtlichen Plakatwänden der Schweiz, als das Stimmvolk 2006 über die vom damaligen Bundesrat Blocher aufgegleiste Revision des Asylgesetzes abstimmte. Bürgerliche Parteien sprachen angesichts der Verschärfungen davon, dass man gerade noch soweit gehen könne und diese Verschärfungen nötig wären, um den Missbrauch zu stoppen. Das Volk stimmte zu, wer will schon keinen Missbrauch stoppen?
Am 9. Juni 2013 stimmen wir erneut über Verschärfungen im Asylgesetz ab. Und wieder verspricht man, Missbrauch im Asylwesen stoppen zu können. Und wieder handelt es sich dabei um falsche Versprechen. Nur diesmal sind die Verschärfungen besonders perfid. Denn sie treffen gezielt richtige Flüchtlinge und besonders schutzbedürftige Personen, wie Frauen und Kinder. Konkrete Massnahmen gegen Missbrauch im Asylwesen findet man in der aktuellen Verschärfung kaum. Die Befürworter argumentieren denn auch damit, dass man die Schweiz einfach „unattraktiver“ für Asylsuchende machen wolle. Diese Aussage stimmt. Nur blendet sie aus, für wen die Schweiz unattrakiver werden soll: für echte Flüchtlinge!
Unnötige Panikmache
Es ist ein Fakt, dass die Asylgesuche nach den Revolutionen in Afrika und den andauernden Konflikten im Nahen Osten in die Höhe geschnellt sind. Viele der Asylgesuche werden von Wirtschaftsflüchtlingen gestellt, also von Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die Schweiz kommen. Diese haben keinen Anspruch auf Asyl. Und wenn mehr Wirtschaftsflüchtlinge in unser Land kommen und kein Asyl erhalten, steigt die Anzahl „Asylsuchender“ in der Kriminalitätsstatistik auch an (zurzeit bei 9%). Auch das ist längst bekannt (und in ganz Europa der Fall), wird durch die Verschärfungen in diesem Asylgesetz aber nicht verhindert.
Bei der ganzen Panikmache sollte aber etwas nicht vergessen werden: Die Schweiz wird nicht überschwemmt. Im Jahre 2012 wurden in der Schweiz 28’631 Asylgesuche gestellt. Dies ist mehr als in den Vorjahren, aber deutlich weniger Asylgesuche als in den Jahren 1998 (42'979) und 1999 (47'513). Die Zahl der Asylgesuche schwankt laufend, was ja auch völlig logisch ist. Entstehen grössere Konflikte, flüchten mehr Menschen. In politisch stabileren Zeiten, flüchten weniger Menschen. Das war immer so und wird immer so bleiben. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass 80% aller Menschen in Entwicklungsländer flüchten und beispielsweise im Libyenkonflikt nur 2% der Flüchtlinge nach Europa geflüchtet sind. Und 2012 machten Asylsuchende 0,5% der Schweizer Bevölkerung aus (Quellen: Factsteet von Amnesty International, siehe auch die Amnesty-Kampagne "Schluss mit Panikmache").  
Abschaffung Botschaftsasyl
Die gravierendste Verschärfung betrifft die Abschaffung des Botschaftsasyls. Bisher konnten Menschen auf Schweizer Botschaften ein „Asylgesuch“ stellen, wenn sie glaubhaft machen konnten, dass sie verfolgt wurden. Die Botschaft prüfte das Gesuch und erteilte nur eine Einreisebewilligung in die Schweiz, wenn die Gründe glaubhaft erschienen. In der Schweiz prüften die Behörden erneut, ob Asylgründe vorliegen. Von allen Menschen, die über diesen Weg in die Schweiz eingereist sind, durften 96% hier bleiben. Damit rettete die Schweiz in den letzten 30 Jahren 2'572 Menschenleben (mehr dazu unter diesem Link). Das Botschaftsverfahren erwies sich somit als ideal, um „echte“ von „unechten“ Flüchtlingen zu trennen und verfolgten Menschen Schutz zu gewähren. Nicht einmal der damalige Justizminister Blocher (der sich ja immer damit rühmt, überall die Schraube im Asylwesen angezogen zu haben) hat bei seinen Verschärfungen das Botschaftsasyl angetastet. 
Der Bundesrat und seine Nachplappler behauptet zwar, der dafür geschaffene Ersatz, das „humanitäre Visum“ würde diesen Menschen weiterhin eine Möglichkeit bieten, via Botschaft in die Schweiz zu flüchten. Dies ist aber keinesfalls ein gleichwertiger Ersatz, zumal die Hürden wesentlich höher sind, dieses Visa noch seltener als das ohnehin schon seltene "Botschaftsgesuch" gewährt wird und nur im Heimatland einer Person gestellt werden kann. Und dass dieses humanitäre Visa offenbar nicht einmal bei akut Bedrohten, wie z.B. einer syrischen Frau und ihren Kindern gewährt wird, sieht man bereits heute. Der Bundesrat und die Befürworter begründen die Abschaffung des Botschaftsverfahrens ja gerade damit, dass sie einen Ansturm auf Schweizer Botschaften im Ausland verhindern wollen. Würde das humanitäre Visum also einen gleichwertigen Ersatz wie das Botschaftsverfahren bieten, würde dieser Ansturm (der gar nicht besteht), weiterhin bestehen. Die Argumentation, das humanitäre Visum sei ein gleichwertiger Ersatz für verfolgte Menschen, ist darum nicht nur falsch, sondern auch völlig unlogisch.
Auch beim Botschaftsverfahren sollte man die Fakten betrachten: Seit 1980 wurden 46'369 Gesuche auf Schweizer Botschaften gestellt. In über 30 Jahren wurden also weltweit auf Schweizer Botschaften weniger Asylgesuche gestellt, wie in den in den letzten zwei Jahren in der Schweiz. Wer also davon spricht, dass die Botschaften überrannt werden, behauptet kompletten Unsinn.
Die Abschaffung des Botschaftsverfahrens verschliesst besonders schutzbedürftigen Personen wie Frauen und Kinder die Möglichkeit auf sicherem Weg zu flüchten. Man treibt sie somit geradezu in die Arme von gefährlichen Schleppern und setzt sie so der Gefahr von Vergewaltigung und Misshandlung aus. Die UNHCR (das Flüchtlingskommissariat der UNO) hat die Schweiz für diese Verschärfung heftig kritisiert. Die Einzigen, die sich ab diesem Entscheid freuen werden, sind die Schlepperbanden, deren grausames Businessmodell dank diesem Entscheid lukrativer geworden ist.
Eigentlich wäre diese Attacke auf besonders Schutzbedürftige also Grund genug, um Nein zu stimmen. Aber die Verschärfungen gehen weiter.
Unerwünschte Militärverweigerer
Das Asylgesetz sieht weiter vor, Militärdienstverweigerern grundsätzlich kein Asyl mehr zu gewähren. Diese Reglung betrifft vor allem Asylsuchende aus Eritrea. In Eritrea herrscht eine grausame Diktatur, die Frauen und Männer zu Militärdienst zwingt. Wer dies verweigert, wird oftmals gefoltert oder mit dem Tode bestraft. Aus diesem Grund haben Militärdienstverweigerer aus Eritrea in der Schweiz dann Chancen Asyl zu erhalten, wenn sie aufgrund dieser Weigerung verfolgt werden. Das Parlament und der Bundesrat geben sogar zu, dass diese Menschen auch in Zukunft auch nicht nach Eritrea zurück geschickt werden können und sich für die Betroffenen, kaum etwas ändere. Aha – dann hat man also eine sinnlose Verschärfung einfach so zum Spass ins Asylgesetz geschrieben? Nicht ganz – man erhofft sich so ein fatales Signal an verfolgte Menschen in Eritrea auszusenden: Dass sie als Flüchtlinge in der Schweiz nicht länger willkommen sind. Man weiss, was für grausame Zustände in Eritrea herrschen. Man weiss, mit welcher Willkür Menschen gefoltert und inhaftiert werden und dass Eritreer darum in der Schweiz gute Chancen auf Asyl hatten. Und dennoch sagt man: Euch wollen wir nicht, kommt also gar nicht erst her. Was soll das? Wer sowas befürwortet, hat entweder den ganzen Sinn und Zweck des Asylwesens nicht verstanden oder will bewusst gar keinen verfolgten Menschen mehr Schutz gewähren.
Bundeskompetenz für Asylzentren
Eine weitere Änderung des Asylgesetzes besteht darin, dass neu der Bund alleine darüber entscheiden kann, wo Asylzentren entstehen und zwar ohne Bewilligung des betroffenen Kantons oder der Gemeinde. Diese können sich nicht mehr dagegen wehren, wenn ein Asylzentrum bei ihnen errichtet wird. In der föderalistischen Schweiz, wo das Volk und die Gemeinden normalerweise mitbestimmen können, was bei ihnen geschieht, ist dies doch sehr merkwürdig. Merkwürdig ist vor allem, dass die SVP, die sonst den Widerstand gegen jedes Asylzentrum anführt, damit einverstanden ist. Die SVP, die die Volksrechte hoch hält und stets zu Protest gegen Asylzentren aufruft, unterstützt also gerade, dass die Bevölkerung keinen Einfluss mehr auf den Standort von Asylzentren nehmen kann? Es ist an Heuchelei nicht zu überbieten, wenn die SVP Stadt Zürich, sich darüber beklagt, dass "kein Referendum" gegen dieses Zentrum möglich ist und zu Protesten ufruft, dem Volk aber genau die Möglichkeit genommen hat, um wirkungsvoll dagegen etwas unternehmen zu können (obwohl ich sicher bin, dass das Sadtzürcher Stimmvolk dem Zentrum zustimmen würde). Und auch wenn diese Kompetenzverschiebung nicht nur unsinnig ist, so zeigen erste Beispiele, dass sie wohl keine sehr gute Idee war. Beispiele wie jenes von  Bedretto, wo ein Asylzentrum unter Protest der Gemeinde in Zonen mit akuter Lawinengefahr geplant wird. Und auch wenn ich das Misstrauen gegen Asylsuchende nicht teile, so strapaziert man den Goodwill der Bevölkerung doch sehr, wenn man 120 Asylsuchende in eine Gemeinde mit 70 Einwohnern unterbringen will.
Nutzlose Verbesserungen
Weil die Befürworter wissen, dass diese Verschärfungen nicht zu erklären sind, verstecken sie sich hinter Verbesserungen, die mit dieser Asylgesetzverschärfung kommen sollen. So wird beteuert, dass der Rechtsschutz für Asylsuchende ausgebaut, Beschäftigungsprogramme geschaffen und die Verfahren beschleunigt würden. Nur: Verfahren kann man auch ohne diese radikalen Verschärfungen beschleunigen und die nächste Revision, die bereits ansteht, widmet sich ja gerade dieser Beschleunigung. Warum also nicht all die Verbesserungen da rein packen? Was nützt ein ausgebauter Rechtsschutz wenn gerade echte Flüchtlinge nicht mehr herkommen können? Was nützen ein paar Verbesserungen, wenn der Preis dafür massive Verschlechterungen sind, obwohl dies gar nicht nötig wär? Oder anders gefragt: Würde die SVP einem Gesetz zustimmen, das zwar 15 neue Kampfjets für die Schweiz vorsieht, gleichzeitig aber die Armee abschafft? Würde die FDP einem Gesetz zustimmen, welches das Bankgeheimnis verstärkt, gleichzeitig aber alle Banken zu einer einheitlichen Staatsbank verschmiltzt? Würde die CVP einem Gesetz zustimmen, das die Abschaffung der Heiratsstrafe vorsieht, gleichzeitig aber die maximale Anzahl erlaubter Ehen pro Jahr auf 10 beschränkt? Würden die Grünliberalen einem Gesetz zustimmen, welches die Mehrwertsteuer durch eine Energiesteuer ersetzt (wie sie es fordern), gleichzeitig aber 20 neue Atomkraftwerke vorsieht? 
Der Schweiz unwürdig
Die Schweiz schmückt sich gerne mit ihrer „humanitären Tradition“. Ein Asylgesetz das auf echte Flüchtlinge zielt, hat aber nichts mehr mit humanitär zu tun. Ein Asylgesetz, das Frauen und Kinder grössten Gefahren aussetzt, hat nichts mehr mit humanitär zu tun. Ein Asylgesetz, das echten Flüchtlingen sagt, sie seien nicht erwünscht, hat nichts mehr mit humanitär zu tun. Mit diesem Asylgesetz wird kein einziger Missbrauch verhindert. Wenn uns die zahlreichen Asylgesetzverschärfungen etwas gelehrt haben, dann das: scharfe Asylgesetze führen nicht dazu, dass weniger Asylsuchende in unser Land wollen. Denn egal wie scharf unsere Gesetze sind, als wohlhabendes, politisch stabiles und neutrales Land wird die Schweiz immer attraktiv für Asylsuchende („echte“ und „unechte“) sein. Die Asylgesetzverschärfungen, über die wir am 9. Juni 2013 abstimmen müssen, führen also nur dazu, dass weniger wirklich verfolgte Menschen Schutz kriegen.
Die Gewinner dieses Asylgesetzes sind Diktatoren und Schlepper. Die Verlierer sind Menschen, die von Tod, Vergewaltigung und Folter bedroht sind.

Wer das nicht will, stimmt am 9. Juni 2013 Nein zu diesem verfehlten Asylgesetz. 

PS: An alle Zürcherinnen und Zürcher: macht mit bei der Kampagne 10'000 für Zürich.
PPS: An alle anderen: macht hier mit, um das Asylgesetz zu bekämpfen. 

Freitag, 22. Februar 2013

Eine Hommage ans T&M

Nur zu gut kann ich mich noch daran erinnern, wie ich das T&M das erste Mal betrat. Noch viel besser kann ich mich aber daran erinnern, wie ich als ungeouteter 19 jähriger mit zitternden Beinen ein paar Meter vom Clubeingang entfernt stand und wartete, bis niemand in der Nähe war, der hätte sehen können, wie ich diesen Club betrat. Meine Begleitung nervte sich bereits, als ich mich endlich dazu durchrang, durch die Eingangstüre des Clubs zu huschen.  
Hier bin ich zu Hause
Mit weichen Knien lief ich die Treppen in den Club hoch, gab meine Jacke am Eingang ab und betrat das bereits relativ volle T&M. Die Musik dröhnte, aber mein Herzschlag pochte lauter in meinen Ohren. So viele Männer hatte ich in einem Club noch nie gesehen. Und dann erst noch alle schwul. In einer Selbstverständlichkeit tanzten da Männer zusammen, eng umschlungen, ausgelassen, küssend, fröhlich. Meine Angst verflog. Ich war zu Hause. Endlich Leute wie ich. Leute, die so sind wie ich innerlich seit ich denken kann war und es nie sein wollte, weil ich es als abnormal empfunden hatte. Schliesslich war mir das auch lange so eingetrichtert worden. Und da ich niemanden kannte, der auch so war wie ich, fast ausschliesslich negatives darüber gehört hatte und schwul ein gängiges Schimpfwort unter Jugendlichen gewesen war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es viele gibt, sie so abnormal wie ich sind. Und nun stand ich in diesem Club. Die Lichter flackerten, die Rauchmaschine tauchte die Tanzfläche in Nebel, die Leute sangen, tanzten, sprangen rum, kletterten auf ein paar Stufen, die mitten im Club als „Bühne“ diente, um ihre Tanzbewegungen vorzuführen. Gierig sogen meine Augen alles auf, während ich meine erste Runde durch den Club drehte, an den Sitzmögilchkeiten vorbei, durch die Toiletten, wo Männer auch in einer Selbstverständlichkeit die Frauentoiletten benutzten, was die wenigen Frauen nicht mal zu stören schien. Es war einfach alles wunderbar. Ein besseres Osterwochenende hätte ich mir nicht vorstellen können.
Apropos Ostern. Der Club war nach dem Motto „Kirche“ eingerichtet. Die Sitzmöglichkeiten waren wie Kirchenstühle dekoriert, über der Bar hingen nackte „Kens“ mit Engelsflügeln, die Wände waren mit christlichen Figuren wie der Jungfrau Maria bemalen. Ich verbrachte also diesen Abend an einem Osterwochenende mit küssenden Männern vor den Augen der Jungfrau Maria. IN YOUR FACE, schoss es mir durch den Kopf, während ich dabei an den ultrareligiösen Teil meiner Familie dachte.
Als ich danach den zweiten Stock betrat (den dazugehörenden Club „Aaaah“) mit der harten Elektromusik und der kleineren Tanzfläche, wurde mir etwas mulmig. Ein Gang führte nämlich von der Tanzfläche weg zu den brühmt berüchtigten Dark-Rooms. Also jene Räume, die dunkler waren und man sich verziehen konnte, um Sex zu haben. Ängstlich lief ich hinter meiner Begleitung durch diese abgedunkelten Gänge und spürte eine merkwürdige Mischung aus Faszination und Angst in mir hochsteigen (rückblickend lache ich heute noch über diese Angst). Gab es das wirklich? Auf den Fernsehern, die überall rum hingen, liefen nicht jugendfreie Filme und es hockten Männer rum, deren Blicke meine Nervosität ins Unermessliche steigen liess. Schnell verliessen wir die obere Etage wieder und verbrachten die Nacht im unteren Teil, also im T&M.
Ein Ort für alle
Ab diesem Zeitpunkt verbrachte ich im Verlaufe der Jahren viele witzige, ausgelassene, spannende, feuchtfröhliche Nächte im T&M.
Die Dekoration änderte sich mit der Zeit (vom Thema Kirche zum Thema Sport zum Thema Zukunft zum Thema Aliens zum Thema Disco), mit der Zeit kannte man die meisten Leute, obwohl auch immer wieder neue Leute dazu stiessen. Mal verbrachten wir jedes Wochenende in diesem Club, mal mieden wir ihn wochenlang. Aber wir kehrten immer wieder zurück. Die ausgelassensten Partys, interessante Bekanntschaften oder auch Ablenkungen, wenn man niedergeschlagen war, das T&M war für alles die beste Adresse.
Nirgends trafen alle Angehörigen der schwullesbischtransgender Community so zusammen wie im T&M. Ob die jungen Schwulen, die Dragqueens, die shirtlosen Muskelmänner, die Hip Hopper, die Skater, die (selbsternannten) Models, die Hipster, etc. etc., alle verkehrten im T&M. Jede Farbe des berühmten Regenbogens fand sich im T&M wieder. Auch jene, die es niemals zugeben würden.
Vielleicht lag es gerade am Punkt, dass das T&M jedes Publikum anzog und lange bestand, aber das Lästern über diesen Club verkam teilweise geradezu zum schwullesbischen Volkssport. Niemals würde man ins T&M gehen, der Club sei doch total trashig, die Leute nervig, die Musik schlecht, an allem hatte man etwas auszusetzen, nur cool finden, das konnte man das T&M (aus mir bis heute unerfindlichen Gründen) nicht. Und wenn man dann genau jene Leute, die sich am lautesten das Maul über den Club zerrissen, tanzend auf der Tanzfläche des T&Ms wieder traf, kriegte man mässig originelle Ausreden zu hören („ich wurde von meinen Freunden hergeschleppt, bin sonst nie da“ die häufigste aller schlechten Erklärungen), für die man eigentlich gar nicht gefragt hätte.
Die Dark-Room Kontroverse 
Zwischendurch flackerten künstliche, völlig überflüssige Skandale auf, wie die Diskussion darüber, ob man Dark-Rooms in einer Disco verbieten muss. Politiker und Politikerinnen, die noch nie einen Fuss ins T&M gesetzt hatten und unter Ausgang wahrscheinlich einen (durch Ohropax geschützten) Besuch in der Oper verstehen, liessen sich in Medien zitieren, dass „Sex nicht in eine Gaststube gehöre“, fromme Mitbürgerinnen und Mitbürger überboten sich mit Horrorstorys, was in diesen Dark-Rooms alles passiere, während man den Moralfinger hob und davon sprach, dass dies sofort gestoppt werden müsse. Glücklicherweise haben sich die verkorksten Moralvorstellungen nicht durchgesetzt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, weswegen diese Diskussion überhaupt aufgeflackert war, aber ich weiss noch zu genau, wie tierisch sie mich nervten. Man muss kein Dark-Room Gänger sein, um strikte gegen ein Dark-Room-Verbot zu sein. Wenn volljährige Männer in Dark-Rooms Sex haben wollen bis die dafür konzipierten Räume wackeln, hat das niemanden, aber absolut gar niemanden zu interessieren. Niemand wird gezwungen, dabei zuzuschauen geschweige denn sich in diese Dark-Rooms zu begeben. Insofern gibt es kein einziges Argument, das ein Verbot von Dark-Rooms rechtfertigen würde – im Gegenteil. An den Wänden dieser Dark-Room-Gänge prangern in leuchtender Schrift Warnungen vor Geschlechtskrankheiten und Hinweise zu Verhütungsmitteln, die da auch gratis zur Verfügung standen, womit Krankheitsrisiken an diesen Orten kleiner sind, wie bei jenen heterosexuellen Menschen, die sich nach feuchtfröhlichen Discobesuchen ohne Verhütung auf Toiletten, Rücksitze von Autos oder sonstige Orte ausserhalb der eigenen vier Wände verziehen (was heutzutage, oh Schock, einer Realität in unserer Gesellschaft entspricht). Ob man Dark-Rooms nun besucht oder nicht, sie waren Teil des T&Ms und ich bin stolz darauf, dass die Besitzer sich von keinen Moralaposteln aus der Politik einschüchtern lassen haben und diese umstrittene Räume bis heute noch zum festen Inventar des T&Ms gehören.
Unverständlicher Hass
Sämtliche heterosexuellen Freundinnen und Freunde von mir, die noch nie einen Gay-Club von innen gesehen hatten und ein- (oder mehrmals) mit ins T&M kamen, waren vom Club sehr positiv überrascht, von der Stimmung begeistert und vom Angebot einer Dark-Room-Zone fasziniert. Keine Pöbelein, keine Schlägereien, keine aggressive Stimmung, wie dies in heterosexuellen Clubs teilweise der Fall ist. Der einzige Streit, den man im T&M zwischen den Leuten mitbekam, waren Fragen wie, ob jetzt Kylie oder Madonna, Britney oder Christina besser sind und die einzigen Konkurrenzkämpfe, die zu beobachten waren, bestanden darin, wer die besseren Tanzmoves auf der Treppe/Bühne drauf hatte.
Oft ertappte ich mich dabei, wie mein Blick durch die tanzenden, singenden, lachenden Gesichter des T&Ms Publikums schweifte und ich mich dabei fragte, wie es überhaupt möglich sein konnte, dass Menschen wie wir aufgrund unserer sexuellen Orientierung diskriminiert oder abgewertet werden. Worin um alles in der Welt besteht die Gefahr, die all die Homophoben da draussen in uns sehen? Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass küssende oder händchen-haltende Männer ausserhalb von Orten, wie es das T&M einer ist, Angst haben müssen, aufgrund ihrer Gefühle angepöbelt zu werden? Selbstverständlich gibt es auch unter Schwulen Menschen, die man unsympathisch findet, mit denen man schlechte Erlebnisse gemacht hat, die man nicht ausstehen kann. Aber jedes Mal, wenn mein Blick in diesen Momenten über das ausgelassene Publikum in einem T&M schweifte, schwor ich mir aufs Neue, den Kampf für eine vollständige Akzeptanz von Homo-, Bi- und Transsexuellen zu meinem politischen Hauptziel zu machen, für das ich unermüdlich kämpfen werde. Jedes mal schöpfte ich erneut Kraft, um auch dann unbeirrt und entschlossen zu bleiben, wenn man augenrollend wieder fragt „ihr habt ja vieles erreicht, was wollt ihr denn jetzt schon wieder?“ Und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dies politisch oder taktisch klug ist, aufgrund der Gefahr nur auf „Schwulenpolitik reduziert“ zu werden, wovor man mich immer wieder warnt.
Ein Verlust für die Schweiz
Nun schliesst das T&M. Für immer. Damit geht nicht nur die historische Ära eines Gay-Clubs zu Ende, sondern auch ein grosses Stück Heimats- oder gar Zufluchtsort für Schwule jeden Alters aus der ganzen Schweiz. Junge Schwule, die zum ersten Mal erleben, dass sie nicht alleine auf dieser Welt sind, denen angesichts all der tanzenden, fröhlichen Menschen um sie rum bewusst wird, dass es okay ist, schwul zu sein und dass es nichts, aber auch gar nichts dran gibt, für das sie sich zu schämen brauchen. Als ich das T&M das erste Mal betrat, zitterten meine Beine und ich hatte Panik davor, dass mich jemand den Club betreten oder verlassen sehen würde. Heute bin ich stolz darauf, in der Öffentlichkeit für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen kämpfen zu können. Und auch das T&M hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen. Darum ist es auch kreuzfalsch zu meinen, dass es im Jahre 2013 keinen „Schwulenclub“ mehr in Zürich braucht. Im Gegenteil, Schwulenclubs wird es immer geben müssen. Denn auch wenn die Akzeptanz Homo-, Bi- und Transsexueller zunehmend besser wird, wird es immer Orte geben, an die wir uns „zurückziehen“ können, wo wir nicht befürchten müssen, aufgrund unserer angeborenen sexuellen Orientierung angepöbelt zu werden, wo wir wissen, wir sind unter Gleichgesinnten und schlicht, wo wir einfach sein können, wer wir sind! Es ist daher richtig, wichtig und darum sehr erfreulich, dass ab März mit dem "Heaven of T&M" ein neuer Club eröffnet wird, der für all diese Dinge steht. Und wenn noch ein zweiter solcher Club entstehen sollte (was gemäss Gerüchten in Planung ist), ist dies ebenfalls zu begrüssen.
Das T&M wird in die (Schwulen)Geschichte Zürichs eingehen und für immer einen wichtigen und positiven Platz in der Erinnerung unzähliger Schwulen behalten, für die das T&M viel mehr, als einfach eine Disco war.