Samstag, 30. Juli 2011

Wenn Rassismus und Hass schick werden


Er wartet geduldig. Da! Es bewegt sich etwas? Was sieht man dort hinter dem Fels hervor kommen? Ja, das ist es! Ein typisches Beispiel von Multikulti, das es zu zerstören gilt. Er zielt und schiesst. Booom, getroffen. Cool. Da nochmals, hinter dem anderen Felsen. Zielen und Volltreffer! Hurra, diesen Multikultis zeigt er’s und freut sich darüber!

Nein, hier ist nicht vom Massaker in Norwegen die Rede, sondern von einem Computerspiel. Ein Computerspiel, das die SVP vor einiger Zeit ins Internet gestellt hat und man viel Punkte sammelt, wenn man auf Minarette und rufende Muezzins schiesst. Wenn man das Spiel verliert, ist die Schweiz „voller Minarette“, was als zusätzliche Motivationen dienen soll, alle Minarette zu treffen.

Noch immer trauert die Welt um das Massaker in Norwegen. Noch immer lesen wir fassungslos, dass offenbar ein Einzeltäter eine Bombe gezündet und junge Menschen erschossen hat. Aber auch wenn dies die Tat eines Einzeltäters war, so reicht es nicht, wenn man sich darauf beschränkt und zur Tagesordnung übergeht.

Der Täter ist ein offensichtlicher fremdenfeindlicher Rechtskonservativer, der sich als Kreuzritter im Kampf gegen den Islam und die Linken mit ihrer Vision einer multikulturellen Gesellschaft sieht. Er hat seine Tat lange geplant und hat in rechten Internetforen seine fremdenfeindlichen Ansichten schon lange preis gegeben. Unbemerkt. Und genau das ist das Problem.

Seit einiger Zeit ist eine schleichende Veränderung der Gesellschaft festzustellen. Rassismus, Fremdenhass, Vorurteile und Abschottung werden immer mehr zur Mode. Während man früher noch hinter vorgehaltener Hand mit den Sätzen „ich bin ja kein Rassist, aber....“ begonnen hat, stehen heute viele offen zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Ausländerinnen und Ausländern. Man begründet das halt mit schlechten Erfahrungen. Schlechte Erfahrungen sind schliesslich Grund genug, ganze Bevölkerungsschichten zu hassen. In der ganzen westlichen Welt, haben Rechtspopulisten Aufwind. Auch in der Schweiz! Dauernd hört man Warnungen, dass die Schweiz bald untergehe. Wir stimmen über Minarettverbote ab, stimmen über Ausschaffungsinitiativen ab, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar sind und diskutieren wie man am besten verhindern kann, von Asylbewerbern überrannt zu werden.

Mit Millionenkampagnen vermitteln die Rechtspopulisten in unserem Land, dass sie die einzig wahren Kämpfer für die Schweiz sind. In Inseraten wird behauptet, „Linke und Nette“ seien Schuld an den Schlägern, Vergewaltigern und Mördern unseres Landes. Abgerundet werden diese Kampagnen mit den Behauptungen, dass „Schweizer SVP wählen“ würden. Das Gefährliche an der Sache ist allerdings, dass die Kampagnen so tun, als würden sie die „einfachen Bürger“, also das Volk vertreten. Die Kampagnen geben vor, nur die Wut der Bürger auszusprechen und tatsächlich für die Bedürfnisse des Volkes zu kämpfen. Es werden Horrorszenarien aufgezogen (wie z.B. Inserate, die behaupten in 20 Jahren wäre 70% der Schweiz islamisch), nur um dann zu zeigen, dass man diese Horrorszenarien als einzige Partei bekämpft.

So sät man Hass. So sorgt man für Misstrauen. So macht man Rassismus schick. Die Hemmschwelle in vollen Zügen, an Mittagstischen oder an Arbeitsplätzen über Ausländer zu schimpfen, ist nicht mehr vorhanden. Schliesslich sagt man ja nur die Wahrheit.  Die Worte "Solidarität" oder "sozial" werden bereits als negativ oder als lächerlich empfunden. Als „Linker“ ist man sofort in der Defensive. Man hört sich dauernd an, dass man ohnehin weltfremd sei, die Schweiz verraten wolle, Kriminelle verhätscheln und möglichst viel Ausländer in unser Land holen möchte. Das Volk scheint zu wissen, was „die Linken“ denken und wollen, dank den einfachen Hasskampagnen von rechts. Ein Blick in Kommentarspalten von Onlinezeitungen reicht, um zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit und wie breit der Hass bereits gestreut wurde und wie selbstverständlich er geworden ist. Als beispielsweise vor ein paar Monaten ein Schweizer Bauer einen Ausländer erschoss, der von seinem Garten Hanfpflanzen stahl, waren die Kommentarspalten voll mit Sympathien für den Bauer.

Das ist der Nährboden für Fanatismus. Es ist nur logisch, dass dieser Nährboden weitere Hemmschwellen senkt. Wenn es in Ordnung ist, in Onlinespielen vor Abstimmungen Minarette abzuballern, wenn es in Ordnung ist vor Wahlen in Onlinespielen auf Richter zu schiessen und Linke zu verprügeln, wenn es in Ordnung ist Menschen- und Völkerrechte als Gefahr für ein zu Volk verkaufen, was kommt dann als nächstes? Die Leute fühlen sich wütend und sehen sich als Kämpfer für ihr Land. Als Beweis haben sie schliesslich täglich Inserate und die Hetze der grössten Partei unseres Landes, die weiterhin Öl ins Feuer giesst und den Hass anstachelt.

Auch wenn Worte nicht töten können, so lösen sie viel aus. Nur auf fruchtbarem Boden kann etwas wachsen. Das gilt auch für den Fanatismus und den Hass. Da braucht es nicht mehr viel, bis Spinner und Psychopathen sich plötzlich aufgerufen fühlen, im Namen des Volkes gegen „Linke und Nette“, Ausländer und Fremdes zu kämpfen, schliesslich haben sie die Meinung der grössten Schweizer Parteien im Rücken, wie sie täglich auf Plakatwänden und Inseraten sehen können.

Selbstverständlich weisen alle die Schuld weit von sich und empören sich, wenn man ihnen vorwirft, ihr Hass sei der Nährboden für das Massaker in Norwegen. Statt sich zu empören, täten diese Leute aber gut daran, darüber nachzudenken, was sie tun könnten, um Fundamentalismus den Nährboden zu entziehen. Denn wer mit dem Feuer spielt, will zwar in den meisten Fällen keinen Brand verursachen, muss aber damit rechnen, einen auszlösen, spätestens seit Norwegen sollten wir das in Europa wissen.

Fundamentalismus, extreme Positionen und Schüren von Vorurteilen sind Gift für eine Gesellschaft, egal ob es von links oder rechts kommt. Die Politik muss dafür sorgen, dass Auseinandersetzungen durchaus hart, aber mit dem nötigen Respekt und ohne Fanatismus geführt werden. Und das Volk darf sich nicht von Hetzern und Demagogen verführen lassen. Sonst steuern wir auf dunkle Zeiten zu, die sich Europa geschworen hat, nie wieder erleben zu wollen!



Paperblog

Donnerstag, 21. Juli 2011

Unnötiger Generationenkonflikt*

Über mehrere Monate hinweg zieht sich nun die vermeintliche Schlacht schon hin. In der SP tobt kurz vor den Nationalratswahlen ein heftiger Streit, in dem es um „Nachwuchspolitiker“ gegen „Sesselkleber“ zu gehen scheint. Der vorläufige Höhepunkt ist die Nichtnominierung der langjährigen Nationalrätin und Mietrechtsexpertin Anita Thanei, die viel verbrannte Erde hinterlassen hat. Wofür eigentlich?
Die Fronten scheinen auf den ersten Blick klar: Die Jungen wollen, dass ihnen die Alten im Parlament Platz machen. So einfach ist es aber nicht.
Als 25-jähriger Gemeinderat der Stadt Zürich, der erst seit einem Jahr im Parlament sitzt, würde ich theoretisch zu jenen gehören, die von den „Alten“ Rücktritte forden müsste. Dieses Geheule und die Art wie diese Diskussionen aber geführt werden, gehen mir aber enorm auf die Nerven.
Jung sein ist kein Programm! In einem Parlament braucht es erfahrene, langjährige Politikerinnen und Politiker, die den Politbetrieb kennen und sich mit ihrem über Jahre hinweg angeeigneten Sachwissen, Know-How und Netzwerk engagieren. Gleichzeitig braucht es auch Nachwuchskräfte, die frische Ideen einbringen. Es braucht also eine Mischung aus beiden. Und dafür ist in der SP gesorgt.
Bevor die unnötigen „die Dinosaurier müssen weg“-Forderungen gestellt wurden, war die Durchmischung bei den Wahlen 2011 bereits absehbar. Und mit der Tatsache, dass die beiden langjährigen und verdienten NationalrätInnen Christine Goll und Mario Fehr nicht mehr zu den Wahlen antreten werden, wurden bereits zwei Listenplätze für Nachwuchskandidaturen frei.
Das ganze Theater darum, dass weitere Personen, namentlich Anita Thanei oder Andi Gross, nicht mehr antreten sollen, war also unnötig und roch meiner Ansicht nach lediglich nach Profilierungssucht ungeduldiger Jungpolitiker, die möglichst ins Rampenlicht wollen. Als Jungpolitiker finde ich das falsch, schade und sehr bedauernswert. Es werden unnötigerweise Gräben aufgerissen, Parteikolleginnen und -kollegen brüskiert und Schlammschlachten ausgetragen. Das ist nicht nur schädigend, sondern auch höchst unwürdig jenen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger gegenüber, die sich seit Jahren für eine sozialere Schweiz einsetzen. Als Anita Thanei mitteilte, dass sie darauf verzichte, sich erneut vor den Delegierten zu präsentieren, um vielleicht den letzten Listenplatz zu erhalten, quittierte die Juso dies mit dem Kommentar, Anita habe der Partei „den letzten Akt dieses Theaters“ gespart. Was für eine höhnische und für eine Jungpartei, die sich sonst das Wort sozial nicht genug auf die Fahne schreiben kann, peinliche Aussage!   
Selbstverständlich gibt es sogenannte „Sesselkleber“, die nicht mehr viel leisten und sich nur an ihrem Amt festklammern. Die gibt es in allen Parteien. Es ist in Ordnung, Nationalrätinnen und Nationalräte zu kritisieren. Es ist ebenso in Ordnung mit ihnen über ihre Zukunft zu diskutieren und ihre Rücktritte zu fordern, wenn man mit ihrer Arbeit unzufrieden ist. Es ist aber höchst scheinheilig und kurzssichtig, dies über ein System zu tun, indem man pauschal sagt, dass Leute ab einem gewissen Alter oder ab einer bestimmten Amtsdauer nicht mehr antreten sollen.
Als Junpolitiker bin ich froh um die erfahrenen Parlamentarierinnen und Parlamentarier meiner Partei, von deren Know-How ich profitieren kann und die sich in unserem langsamen Politbetrieb gelernt haben durchzusetzen. Darum hüte ich mich davor, langjährige Parlamentarier wegjagen zu wollen und sie pauschal als Dinosaurier oder Sesselkleber zu betiteln. Solche Forderungen wirken zwar sehr revolutionär und garantieren Medienpräsenz, geleistet hat man dadurch aber noch absolut gar nichts.
Es wäre wünschenswert, dass dieser überflüssige Generationenkonflikt endlich beigelegt werden könnte und wir wieder als Partei, in welcher es für Jung und Alt, sowie für Nachwuchskräfte und erfahre Parlamentarierinnen und Parlamentarier Platz gibt und wir uns nicht bekämpfen, sondern von einander profitieren können.
Auch in der SP sollte es Platz für alle, statt für wenige haben!
Eine Randbemerkung kann ich mir allerdings nicht verkneifen: 1999 wurde der Genfer Nationalrat Jean Ziegler in Genf nicht mehr nominiert, nachdem dieser 28 Jahre lang (also beinahe länger als Andi Gross und Anita Thanei zusammen) für die SP Genf im Nationalrat gesessen hatte. Daraufhin war es die Juso Zürich, die Jean Ziegler auf Platz 1 ihrer Nationalratsliste setzte -und dies als „Solidaritätskandidatur“ bezeichnete!
*in der PS vom 21. Juli 2011 erschienen

Montag, 4. Juli 2011

Illi's Irrtum*

Kürzlich hat Frau Nora Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz, die im Islam teilweise noch vorhandene Mehrehe in der Zeitung „Sonntag“ mit folgenden Worten begründet: „Die Aufgabe einer Frau ist es, ihren Mann zufriedenzustellen. Wenn im Koran steht, dass ein Mann mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein kann, dann ist das so. Es liegt in der Natur des Mannes, dass er sich irgendwann nach einer anderen Frau sehnt. Viele Frauen sind zu egoistisch. Ich habe keinen Besitzanspruch auf meinen Mann.“

Diese Aussage ist grob verzerrter Unfug. Es ist richtig, dass im Islam die Mehrehe prinzipiell erlaubt ist. Sie kam aber nicht deswegen auf, weil die Frau den Mann zufrieden zu stellen hat, sondern entstand im Jahre 625 nach der Schlacht von Uhud, in welcher viele Männer fielen. In dieser Zeit lebten in der islamischen Gemeinschaft daher weniger Männer, dafür mehr Frauen und Waisen. Deswegen erlaubte der Prophet die Mehrehe von bis zu vier Frauen, nicht aber aufgrund des Triebes der Männer, sondern um soziale Missstände zu beseitigen. 

Der Krux an der Sache: Der Mann muss alle Frauen gleich zufriedenstellen und jeder die gleiche Aufmerksamkeit widmen. Das bedeutet auch, dass er jeder Frau ein eigenes Haus finanzieren und gleich viel Zeit mit jeder verbringen muss. Er darf keine benachteiligen. Aus diesem Grund erlaubte der Prophet die Mehrehe zwar, riet aber von ihr ab, weil er wusste, dass die Bedingungen praktisch unmöglich waren und der Mann somit seine Pflichten als Ehemann kaum hätte erfüllenn können. Der Prophet verbot seinem Schwiegersohn sogar, mehr als eine Frau zu heiraten und sagte gemäss einer Hadith (also einer überlieferten Nachricht): „wenn jemand zwei Frauen hat und sich nur einer von ich ihnen zuwendet, dann kommt er am Tag der Auferstehung mit einer gelähmten Körperhälfte.“ Die Frauen dürfen also auch in einem konservativen Islam ruhig etwas egoistischer sein. Wenn nicht sich selbst, dann der einen Körperhälfte ihrer Ehemänner zuliebe. 


*Artikel im Tages-Anzeiger am 4. Juli 2011 erschienen