Spätestens
seit der Ständerat einer Motion knapp zugestimmt hat, die das Adoptionsrecht
für homosexuelle Paare fordert, ist das Thema in aller Munde. Der Nationalrat
wird die Motion wahrscheinlich im Sommer behandeln.
Ehe zweiter Klasse
Leider
müssen wir erneut zuschauen, wie unsere Rechte zum Spiel von Kompromissen
werden. Bereits beim Partnerschaftsgesetz sind wir Kompromisse eingegangen.
Während die LGBTs in den USA pausenlos für eine Anerkennung der vollwertigen
Ehe kämpfen und die US-Versionen des Partnerschaftsgesetzes (Civil Union) als
Ehe zweiter Klasse ablehnen, war die Community in der Schweiz euphorisch,
endlich einmal so etwas Ähnliches wie eine Ehe erreicht zu haben. Auch damals
lautete das Motto „besser als gar nichts“, was zu diesem Zeitpunkt wohl richtig
war. Richtig darum, weil es um existentielle Rechte ging. Rechte, wie den
Partner im Spital besuchen zu dürfen oder erbberechtigt zu sein, wenn der
Lebenspartner stirbt. Kann es aber richtig sein, eine Ehe zweiter Klasse zu
haben? Ist es richtig, auf Steuerformularen zwischen „verwitwet“ und „durch Tod
aufgelöste Partnerschaft“ unterscheiden zu müssen? Ich persönlich habe es satt,
zu einem Menschen zweiter Klasse degradiert zu werden. Man kann es als
symbolische Finessen abtun, aber solche Unterscheidungen sind wesentlich mehr
als leere Begriffe! Ein Schwuler, dessen Partner stirbt, ist ein Witwer und
kein „durch Tod aufgelöste Partnerschaft“ Alleinstehender! Die CVP setzt noch
einen drauf und sammelt Unterschriften gegen die steuerliche Doppelbelastung
von verheirateten Paaren. Wer die Initiative genau liest, stellt aber fest,
dass die CVP den Satz, dass eine Ehe zwischen Mann und Frau besteht, in die
Verfassung schreiben will. Auch da blieb der Aufschrei in der Community aus.
Wir haben ja schliesslich das Partnerschaftsgesetz, nicht wahr?!
Fauler Kompromiss?
Dieselbe
Gefahr droht nun den Adoptionsrechten für homosexuelle Paare. Im Nationalrat
ist eine Motion hängig, die nur die Stiefkindadoption für homosexuelle Paare
fordert. Die Motion ist vor ein paar Jahren von Mario Fehr eingereicht und nach
seinem Rücktritt von Chantal Galladé (die bereits beim Partnerschaftsgesetz für
volle Adoptionsrechte gestimmt hat) übernommen worden. Zweifellos war die
Motion damals gut gemeint in einer Zeit, als noch nicht damit zu rechnen war,
dass volle Adoptionsrechte mehrheitsfähig wären. Vor ein paar Monaten hat aber
eine bessere Motion eine Mehrheit im Ständerat gefunden. Eine von Ständerat
Claude Janiak ausgearbeitete Motion, die das Kindswohl ins Zentrum und die
Stiefkindadoption in den Vordergrund stellt, aber dennoch vollständige
Adoptionsrechte verlangt. Janiak ist zweifellos ein exzellenter Ständerat. Die
Community hat ihm viel zu verdanken. Bei allem Verständnis für politischen
Realismus ist es dennoch schade, dass Janiak in der April-Ausgabe der
Mannschaft von Beginn weg dem Nationalrat empfiehlt, die Motion so abzuändern,
dass nur die Stiefkindadoption darin vorkommt. Er begründet dies damit, dass
eine spätere Gesetzesvorlage sonst keine Mehrheit im Parlament findet. Dies mag
vielleicht stimmen, aber Gesetzesvorlagen des Bundesrates können im Parlament
noch immer abgeändert werden. Es ist also nicht nötig, den Bürgerlichen schon
zum Vornherein die Chance zu geben, ein wenig für und ein wenig gegen uns zu
stimmen! Statt klare Bekenntnisse der Bürgerlichen zu verlangen, bieten wir
ihnen die Möglichkeit, für Adoptionsrechte „light“ zu stimmen. Die Bürgerlichen
haben so die Möglichkeit, sich als LGBT-freundlich zu geben, im Wissen darum,
dass wir durchaus eine interessante Wählergruppe darstellen. Nationalrätinnen
wie Doris Fiala, die gegen Adoptionsrechte für homosexuelle Paare sind, können
somit einem Kompromiss zustimmen und dies später als Beweis ihrer
LGBT-Sympathie vorweisen. Und wir würden uns damit zufrieden geben. Aber ernsthaft,
hätten sich die Frauen zufrieden gegeben, wenn man das Stimmrecht nur
verheirateten Frauen gewährt hätte?
Steilpass für die Bürgerlichen
Selbstverständlich
steht bei der Adoptionsfrage das Kindswohl im Vordergrund. Es gibt kein Recht
auf Kinder. Ebensowenig darf es aber sein, fähigen Menschen, die sämtliche
Kriterien erfüllen, nur aufgrund ihres Zivilstandes Kinder zu verbieten. Wenn
wir in den nächsten Jahren die Stiefkindadoption einführen, dürften wir wohl
jahrelang auf vollständige Adoptionsrechte warten. Schliesslich würde es immer
heissen, wir hätten ja die Stiefkindadoption und sollen uns damit zufrieden
geben. Mir graut vor einem Abstimmungskampf, in welchem die Gegner warnen, die
Stiefkindadoption sei nur eine Salamitaktik, um das volle Adoptionsrecht zu
fordern. Was dann? Streiten wir das ab oder bestätigen wir es? Warum nicht
gleich um vollständige Adoptionsrechte kämpfen? Wir haben den Bürgerlichen
diese Option nun aber bereits angeboten. Und da es bei dieser Frage um die Situation
von Kindern geht, die heute bereits bei homosexuellen Elternpaaren in einer
rechtlich unsicheren Lage leben, ist die Stiefkindadoption, einmal mehr, besser
als nichts.
Schluss mit Salamitaktik
Ein
Umdenken muss dennoch stattfinden. Politik ist ein Spiel von Kompromissen,
Verhandlungen und gegenseitigen Zugeständnissen. Wir müssen uns aber erheben
und klar und deutlich zeigen, dass unsere Rechte und die unserer Kinder nicht
verhandelbar sind! Zu lange sind wir Kompromisse eingegangen, nur weil uns eine
Mehrheit der Politik zu Menschen zweiter Klasse degradiert hat. Diese Zeiten sind definitiv vorbei! Unsere
Botschaft muss klipp und klar sein.
Es wird Zeit, dass jede Politikerin und jeder Politiker in diesem Land
Farbe bekennt. Keine Kompromisse, keine Salamitaktik, kein Süssholzraspeln.
Entweder man gewährt uns jene Rechte, die uns schon immer hätten gewährt werden
sollen, oder nicht! Wir wollen keine Salamitaktiken mehr, wir wollen den ganzen
Salami!
*Artikel als Politkommentar im Mannschaft-Magazin (Ausgabe Juni 2012) erschienen.
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