Montag, 12. Dezember 2011

Und es sind Menschen auf der Flucht

Es ist ein unwürdiges Trauerspiel. Ein höchst unwürdiges Trauerspiel. Weltweit haben die Medien über die Menschen in Nordafrika geschrieben, die sich gegen ihre grausamen Diktatoren erhoben haben. Auch in der Schweiz. Dass solche Ereignisse Flüchtlingsströme auslösen, liegt in der Natur der Sache. Umso tragischer ist es, was wir in der Schweiz zur Zeit an Widerstand und Ablehnung gegen Asylbewerber erleben müssen.

Bettwil, eine kleine Gemeinde im Kanton Aargau, von der wohl noch kaum jemand in der Schweiz etwas gehört hat, ist zu einem Symbol geworden. Für einige ist sie das Symbol des Widerstandes. Passender erscheint mir aber das Symbol grenzenloser Ignoranz. Aufgrund der zugenommenen Asylgesuche in der Schweiz braucht der Bund dringend Plätze, um die Asylbewerber unterzubringen. Diese Unterkünfte sind aber rar, was nicht zu Letzt auf die Sparmassnahmen und falschen Prognosen des ehemaligen Justizministers Christoph Blocher zurückzuführen ist. Blocher ist nämlich davon ausgegangen, dass die Schweiz jährlich maximal 10'000 Flüchtlingsgesuche zu behandeln hat. Entsprechend wurde bei den Kantonen Kapazitäten gestrichen und Geld für Reservekapazitäten gestrichen.  Alleine dieses Jahr haben wir über 15'000 Asylgesuche, genauso wie letztes Jahr. Dabei wird die Schweiz verglichen mit der Vergangenheit gar nicht von Flüchtlingen überschwemmt. Während es in diesem Jahr bisher über 15'000 Asylsuchende waren, hatten wir während des Krieges im Balkan im Jahre 1995 über 47'000 Asylgesuche. 2002 waren es über 26'000 Asylgesuche. Wenn wir also in die letzten Jahre schauen, werden wir keineswegs von Flüchtlingen überrannt, das einzige Problem ist, dass man entsprechende Plätze weggekürzt hat. Ups...


Um die Asylsuchenden -zumindest vorübergehend- trotzdem unterbringen zu können, muss der Bund diese verteilen. In der ganzen Schweiz sucht er fieberhaft nach Unterkünften. Unter anderem fand er die Militäranlage in Bettwil, in welcher er vorübergehend um die 140 Asylbewerber unterbringen wollte. Doch die Bettwiler laufen Sturm. Kantons- und Bundesvertreter wurden ausgebuht und medienwirksam protestieren die Bettwiler gegen die Unterbringung der Asylbewerber. Der Bund hat eingelenkt und spricht nun von 80-100 Aslysuchenden für eine maximale Dauer von 6 Monaten. Auch das kommt den Bettwilern nicht in die Tüte.

Die Bettwiler sehen sich als kleine Wilhelm Tells, die sich gegen die "Obrigkeit aus Bern" wehren. Dabei geben die Bettwiler zu Protokoll sie seien nicht rassistisch und es ginge ihnen nicht um die Aslybewerber, sondern dass der Bund einfach entschieden hat, ohne zu fragen. Im nächsten Satz sagen dieselben Leute aber, dass die Aslybewerber ihre Gemeinde unsicher und ihre Frauen blöd anmachen würden. "Die Kinder können dann nicht mehr alleine zur Schule gehen." Aha... das Problem ist also nur, dass Bern die lieben Bettwiler vorher nicht gefragt hat, ob sie bereit wären, die Asylbewerber aufzunehmen. Wenn Bern also nett gefragt hätte, wären die Bettwiler sofort bereit gewesen, diese furchtbar kriminellen Asylbewerber aufzunehmen? Aber eben, rassistisch seien sie nicht! Newsflash an euch, liebe Bettwiler, Tunesier kollektiv zu verurteilen, sie als Kriminelle oder als Gefahr zu bezeichnen, ist Rassismus! Da ändert sich auch nichts dran, wenn ihr "mit Deutschen verheiratet" seid oder "nichts gegen die Albanerfamilie im Dorf" habt!

Doch die Bettwiler wollen ja Hand zu Lösungen bieten und haben einen äusserst grosszügigen Vorschlag: Sie wären bereit, ein paar Asylbewerber aufzunehmen, diese müssten aber interniert werden. Es sei schliesslich kein Menschenrecht, sich frei bewegen zu können,  meinte ein Bettwiler gegenüber dem Tages-Anzeiger.

In Birmensdorf, einer Gemeinde mit 5'900 Einwohnern, konnten 19 Flüchtlinge untergebracht werden. Bedingung: Eine "Asylantengasse" musste her. Ein kleiner Schleichweg, welcher sicher stellen sollte, dass die Asylbewerber in ihre Unterkünfte gelangen, ohne das Quartier zu durchqueren.

Sind wir in der Schweiz bereits so weit gekommen? Die Asylbewerber müssen durch separate Gassen gehen und am besten gleich interniert werden. Erinnerungen an dunkle Zeiten werden wach. Zeiten, in denen es Judengassen gab und Juden interniert wurden.

Man kann es nicht anders sagen: Es ist zum Kotzen! Diese Menschen werden mit einer Welle des Hasses empfangen, die einen sprachlos zurück lässt. Die Humanität der Schweiz habe schliesslich ihre Grenzen, sagen die besorgten Bürger. Stimmt, diese Grenze scheint ziemlich schnell erreicht zu sein. Im Gegensatz zur Inhumanität dieser Bürger, diese scheint keine Grenzen zu kennen. Auch wenn diese ehrenwerten Eidgenossen sich als Winkelriede sehen, sie sind es nicht. Im Gegenteil, sie sind keine Helden, sie sind die Hetzer.

Offenheit gegenüber Erfahrungen anderer Gemeinden scheinen ihnen ebenso fremd wie Menschlichkeit. Dabei braucht man weder ein Gutmensch noch ein Professor zu sein, um zu erkennen, dass die meisten Gemeinden keine Probleme mit Asylbewerbern hatten. Natürlich gibt es auch unter Asylsuchenden Kriminelle. Das ist aber keine Mehrheit! So regt sich in einem Walliser Dorf mit 189 Einwohnern keinen Widerstand gegen die Unterbringung von 60 Asylbwerbern, weil man in der Vergangenheit keine schlechten Erfahrungen gemacht hat. Dasselbe gilt für die Gemeinde Utendorf in Bern, in welcher 100 Asylbewerber untergebracht werden sollen. Dies deckt sich übrigens auch mit Erfahrungen die ich machen durfte, als ich eine Zeit lang in einer Unterkunft für Asylbewerber gearbeitet habe, die Mehrheit der Asylsuchenden war anständig und keiner dieser Menschen hat jemals einem Kind aus der nahe gelegenen Schule auch  nur ein Haar gekrümmt. Aber eben, die besorgten Winkelrieds wissen es natürlich besser. Zu unbequem wäre es, das festgefahrene Weltbild zu hinterfragen, zu anstrengend, den Horizont ein klein wenig zu erweitern. Was nicht sein darf, kann schliesslich nicht sein!

In diesem ganzen Theater geht aber eines vergessen: Es geht um Menschen. Es sind Menschen auf der Flucht. Selbstverständlich gibt es darunter solche, die kein Anrecht auf Asyl bei uns haben und in ihre Heimat zurück müssen. Es sind aber auch viele Menschen drunter, die sich wirklich gegen Obrigkeiten gewehrt haben. Menschen, die Gefahr laufen, zu Tode gefoltert zu werden, wenn sie sich gegen "Obrigkeiten" wehren. Es sind Menschen darunter die schreckliches durch machen mussten, die sich wohl gewünscht hätten, ihre grössten Sorgen wären die jener Bettwilerin, die Tränen in den Augen hat, weil sie die Kinder nicht mehr alleine spielen lassen kann, wenn Asylbewerber in ihr Dorf kommen. Niemand sagt, dass man alle Menschen, die hier um Asyl suchen, aufnehmen muss. Aber zumindest ein kleines Bisschen verdammten Anstand diesen Menschen gegenüber sollte von uns ehrenwerten Eidgenossen gefälligst nicht zu viel verlangt sein!

Denn in einer Gesellschaft, in der ganze Dörfer und Gemeinden Menschen vorverurteilen und gegen diese Hetzen, stimmt etwas nicht. Eine solche Gesellschaft ist unendlich weit von unserer eigenen Bundesverfassung entfernt, die besagt, dass sich die Stärke das Volkes am Wohle der Schwachen misst. Das hat mit der historischen humanitären Schweiz nichts mehr zu tun, genau so wenig wie mit einer zivilisierten Gesellschaft.

"Was, wenn an unserer Bushaltestelle plötzlich 20 Tunesier stehen?" fragt ein Bettwiler. Wenn ich die Ereignisse der letzten Wochen ansehe, würden mir wohl 20 Bettwiler an einer Bushaltestelle grössere Sorgen bereiten!

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Menschenrechte gelten auch am ESC!

Bald ist es soweit, am 10. Dezember 2011 findet die Endausscheidung des Eurovision Contest in der Schweiz statt. 14 Finalisten treten gegen einander an, um von uns an den Eurovision Song Contest 2012 in Baku (Aserbaidschan) geschickt zu werden.

Während sich Europa auf das jährliche Musikspektakel freut, bereitet sich auch Aserbaidschan vor. Während andere Länder damit beschäftigt wären, logistisch einen guten Ablauf vorzubereiten, reicht dies der Regierung in Aserbaidschan nicht. Diese bereitet sich nämlich auch politisch vor und sorgt dafür, dass sämtliche Kritik an der Regierung im Keime erstickt werden. Schliesslich will Aserbaidschan gut dastehen, da hat es keinen Platz für Leute, die auf die nicht vorhandenen Menschenrechte in ihrem Land hinweisen möchten. So geschehen auch mit Jabbar Savalan. Der 20-jährige hatte auf Facebook gegen Proteste an der Regierung aufgerufen. Er wurde dafür verhaftet und im Gefängnis so lange geschlagen, bis er ein Geständnis auf Drogenbesitz unterschrieb. Dafür wurde er für über zwei Jahre Gefängnis verurteilt.

Der 10. Dezember ist nicht nur der Tag der Schweizer Endausscheidung für den Eurovision, er ist auch der Tag der Menschenrechte. Amnesty International hat die Gelegenheit genutzt und den ESC Finalistinnen und Finalisten auf die schreckliche Menschenrechtssituation in Aserbaidschan aufmerksam gemacht und sie gebeten ein Zeichen für Menschenrechte zu setzen, indem sie einen "Free Me" Pin am 10. Dezember tragen.

Eine hervorragende Gelegenheit, sollte man meinen, um für Menschenrechte weltweit einzustehen. Nur leider sieht dies das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) anders. Das SRF hat seine Finalistinnen und Finalisten daran erinnert, dass bei dieser kulturellen Veranstaltung keine politische Werbung oder Songtexte erlaubt sind und sich die Finalisten zuerst ein eigenes Bild machen sollen, bevor sie über Aserbaidschan urteilen. Bitte was?

Mal ganz abgesehen davon, dass einer der Finalisten einen Song mit dem Titel "Peace & Freedom" hat, gibt es einen Unterschied zwischen politischer Werbung und Menschenrechten. Menschenrechte, und das ist ja der Witz der Sache, liebes SRF, sind universell und unteilbar und gelten für JEDEN MENSCHEN.  Das hat nichts, aber auch gar nichts mit politischer Werbung zu tun. Die Sache ist aber die, dass Aserbaidschan die Menschenrechte mit Füssen tritt. Jugendliche werden in Gefängnissen die Rippen gebrochen, damit sie angebliche Taten gestehen. Homosexuelle, immerhin eine wichtige Zielgruppe des ECS, haben in Aserbaidschan ebenfalls mit Gewalt seitens der Polizei zu rechnen. Im Vorfeld des Eurovision, dieses ach-so-schönen kulturellen Anlasses wird erst recht keine Kritik geduldet, wie wir am Beispiel von Jabbar Salvan sehen können.

Aserbaidschan soll diesen kulturellen Anlass nicht nutzen können, um erst recht noch mehr Menschen zu foltern und in Gefängnisse zu werfen. Darauf soll aufmerksam gemacht werden und nicht auf politische Statements. Niemand verlangt von Guillermo Sorya, dass er mit seinem Song "Baby Baby Baby" ein Statement zu Abtreibungen abgibt und niemand verlangt von Sosofluo, dass sie sich mit ihrem Song "quand je ferme les yeux" zur Sterbehilfe äussert. Es geht um universelle, unteilbare, für alle geltende Menschenrechte!

Trotzdem kann ich mir die Frage nicht ganz verkneifen, wieso das SRF auf seiner offiziellen ESC Website den Song "Peace & Freedom" des Finalisten IVO als Einstehen für "Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit - eine Message, die sich nicht an geografischen Grenzen orientiert und die Menschen aufrütteln soll" anpreist (Zitat SRF). Ein Kandidat darf über Peace & Freedom singen und die Menschen aufrütteln, aber die anderen Kandidaten und Kandidatinnen dürfen keinen "Free Me" Pin tragen? Ist das nicht ein wenig inkonsequent?

Wie dem auch sei, Amnesty hat durchaus Recht, wenn es SRF Zynismus vorwirft. Es ist nämlich zynisch, wenn das SRF den ESC Kandidierenden empfiehlt, sich nach der Teilnahme in Aserbaidschan ein Bild zu machen. Wovon sollen sich die Finalistinnen und Finalisten denn ein Bild machen, wenn alles Kritiker weggesperrt werden und die Menschen in Angst leben müssen, gefoltert zu werden, wenn sie den Mund aufmachen? Vom netten Flughafenempfang? Vom Hotel, in das sie einquartiert werden? Von der bunten Bühne? Gerade als Schweizer Fernsehen, das gute Journalistinnen und Journalisten in der ganzen Welt hat, dürfte man mehr Sensibilität erwarten. Wären nämlich die Journalistinnen und Journalisten, die beim SRF arbeiten in Aserbaidschan geboren und würden dort ebenso ihrem Beruf nachgehen wollen, wie in der Schweiz, würden sie misshandelt und in Gefängnisse geworfen werden. Und das weiss das SRF auch ganz genau! Falls es aber mehr Informationen diesbezüglich benötigt, findet es hier einen ausführlichen Bericht zur Menschenrechtslage in Aserbaidschan.

Vor kurzem hat Viktor Giaccobbo, der eine Satire-Sendung auf SF hat, mit Amnesty International erfolgreich eine Kampagne gegen die Inhaftierung eines Künstlers in China gemacht. Die Kampagne war ein grosser Erfolg und nicht zuletzt deswegen wurde der Künstler wieder freigelassen.

Es wäre zu wünschen, dass das SRF auch in diesem Fall auf die Seite der Menschenrechte steht. Täglich hat das SRF über die Revolutionen in der arabischen Welt berichtet, als Leute für ihre Freiheit auf die Strasse gingen, dafür starben und Erfolg hatten. Als Land mit einer humanitären Tradition ist es unsere Pflicht, uns weltweit für Menschenrechte einzusetzen, wenn wir dies können. Das SRF nennt den Eurovision eine kulturelle Veranstaltung. Die humanitäre Tradition der Schweiz ist Teil unserer Kultur. Insofern würden sich die Kandidierenden nur an die Regeln halten, wenn sie am 10. Dezember dem Aufruf von Amnesty folgen würden.

Ich rufe alle Kandidatinnen und Kandidaten dazu auf, dies zu tun. Ich rufe das SRF auf, sich auf die humanitäre Tradition der Schweiz zu besinnen und Menschenrechte nicht über Kommerz zu stellen. Das wäre keine politische Werbung, sondern ein Bekenntnis zu den unteilbaren Menschenrechte, die für alle gelten!!

Die Petition für die Freilasssung von Jabbar Savalan (und weitere Petitionen) kann hier unterschrieben werden.

Dienstag, 22. November 2011

Ein offener Brief an Herrn Christophe Darbellay

Sehr geehrter Herr Nationalrat Darbellay,

Mit grossem Unverständnis habe ich Ihre Aussage gegenüber der Zeitung "Le Temps" gelesen, in welcher Sie sich gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare aussprechen und Ihre Parteimitglieder, die anderer Meinung sind, kritisieren. Auf das Argument der ständerätlichen Kommission, die für die Adoptionsrechte homosexueller Paare ist, dass es schon viele Kinder gibt, die bei homosexuellen Eltern aufwachsen, diese aber rechtlich nicht geschützt sei, antworten Sie mit den Worten "man legalisiert Kokain auch nicht nur weil es 500'000 Konsumenten gibt!"

Ich sehe schon, der Kampf um Adoptionsrechte geht langsam los. Nachdem die ständerätliche Kommission vom Bundesrat die Adoptionsrechte fordert (mit keiner Gegenstimme), versuchen es die Gegner mit einen Gegenangriff. Dass die Gegner von Adoptionsrechten keine Argumente haben, überrascht nicht. Wie primitiv ihre ablehnenden Begründungen sind, erstaunt aber doch.

Gerade Sie, Herr Darbellay, als CVP-Präsident und somit Präsident einer Partei, die sich als Familienpartei sieht, haben den Nerv, ca 30'000 Kinder mit Kokain zu vergleichen. Es ist nämlich ein Fakt, dass heute bereits bis zu 30'000 Kinder bei homosexuellen Elternpaaren aufwachsen und in einer rechtlich unsicheren Situation leben. Dass sämtliche Erfahrungen beweisen, dass Kinder bei homosexuellen Eltern gut aufwachsen, habe ich bereits Ihrem Nationalratskollegen Christian Wasserfallen erklärt (falls Sie die Fakten interessieren, hier klicken).

Als Präsident einer Familienpartei stellen Sie sich also nicht nur gegen das Kindeswohl, sondern stellen einen absurden und beleidigenden Vergleich an. Wissen Sie, Herr Darbellay, die Zeiten, in welchen man gewisse Familien als mehr wert als andere angesehen hat, erinnern an düstere Zeiten und sind endgültig vorbei. Sie können sich so abfällig über Regenbogenfamilien äussern wie Sie wollen, sie existieren trotzdem und sind kein Bisschen weniger wert, als Familien, die Ihrem ewiggestrigen Bild, wie eine perfekte Familie auszusehen hat, entsprechen!

Dabei wissen Sie doch ganz genau, dass Sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen. Genauso wie jene auf der falschen Seite der Geschichte gestanden sind, die sich gegen ein Frauenstimmrecht in der Schweiz ausgesprochen haben, in den USA die Ehe zwischen Schwarzen und Weissen nicht zulassen wollten oder in Südafrika den Schwarzen kein Stimmrecht gewähren wollten. Denn unsere Gesellschaft entwickelt sich. Schwule und Lesben wird es immer geben, immer mehr Leute kennen homosexuelle Paare und wissen, dass diese gute Eltern sein können. Und auch die Zahl der Kinder homosexueller Eltern wird laufend zunehmen. Auf der ganzen Welt werden Adoptionsrechte laufend eingeführt werden und es werden weitere Gerichtsurteile, wie jenes des europäischen Menschenrechtshof folgen, das urteilte, dass ein Adoptionsverbot diskriminierend sei. Das wissen Sie doch so gut wie ich, auch wenn dies vielleicht im Wallis, also jener Kanton, für welchen Sie im Nationalrat sitzen, noch lange nicht mehrheitsfähig ist. Natürlich müssen Sie dafür sorgen, dass die heile katholische Welt im Wallis in Ordnung bleibt, schliesslich stehen die Zeichen auch dort auf Sinkflug für Ihre Partei (bei den letzten Wahlen hat Ihre Partei 3% Wähleranteil und einen Sitz verloren) und es ist auch noch nicht allzu lange her, dass ein Walliser CVP Politiker aufgrund seines Kokain-Videos, das seine betrogene Ex-Freundin den Medien zugespielt hat, schweizweit in die Schlagzeilen geraten ist (umso erstaunlicher, dass Sie nicht ein wenig mehr Sensibilität zu diesem Thema an den Tag legen, Herr Darbellay).

Auch wenn die Umfragen in der Schweiz zeigen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Adoptionsrechte für homosexuelle Paare befürwortet, werden die Walliser wohl weiterhin gegen ein Adoptionsrecht sein. Leider, denn sonst würden Sie Ihre Meinung bestimmt ändern (wie wir bei den Atomfragen, Paralellimporten oder Bankenfragen gesehen haben). Und leider verfügen wir Befürworter der Adoptionsrechte auch nicht über 150'000 Franken, die wir Ihnen spenden können, damit Sie Ihre Meinung ändern (wie Sie dies damals nach der grosszügigen Spende der UBS getan haben).

Insofern leuchtet es ein, dass Sie nun auf einen billigen Populismus-Zug aufspringen und versuchen, Ihre davonlaufende Wählerschaft bei Stange zu halten. Vielleicht hoffen Sie aber auch nur, das nächste Mal von der CVP für den Walliser Staatsrat nominiert zu werden, nachdem das 2009 nicht geklappt hat. Nun, einen Unterstützer haben Sie ja in mir schon beinahe gewonnen; es ist mir nämlich lieber, wenn Sie mit solchen Ansichten hinter den Walliser Bergen, statt im Schweizer Parlament politisieren. Daher jedem seine Art zu politisieren. Wenn Ihr Populismus aber beginnt, Familien zu treffen und dem Kindeswohl zu schaden, hört der Spass jedoch auf! In diesem Thema ist es immer dasselbe: Man schiesst gegen homosexuelle Paare, trifft aber die Kinder! Dabei frage ich mich gerade auch aus christlicher Nächstenliebe, wie man solche Einstellungen haben kann, bei all dem Elend auf der Welt. Es gibt auf dieser Welt unzählige Kinder, die ohne Eltern aufwachsen müssen, Kinder die hungern und kein richtiges zu Hause haben, die nie in den Genuss von Elternliebe kommen werden. Wie kann einem Menschen, der Nächstenliebe gross schreibt, das Schicksal dieser Kinder weniger wert als sein Familienbild sein? Dass einem ultrakonservativen Fundamentalisten das egal ist, kann man nachvollziehen. Bei Ihnen, der sich als junger, moderner, familienfreundlicher CVP Politiker zu verkaufen versucht, ist das aber unverständlich. Obwohl... irgendwie passt es auch zu Ihrem Abstimmungsverhalten im Nationalrat, schliesslich haben Sie vor ein paar Jahren gegen eine historische Aufarbeitung der Schicksale von Verdingkinder in der Schweiz gestimmt. Vielleicht ist Ihr Etikett "familienfreundlich" doch nur ein Schwindel.

Nachdem Sie für Ihre Aussage kritisiert wurden, haben Sie nun gesagt, dass Sie niemanden beleidigen und nur aufzeigen wollten, dass weil etwas existiert, es nicht legal sein muss. Mal ganz abgesehen davon, dass man in der Schweiz ungefähr mit den gleichen Argumenten das Frauenstimmrecht bekämpft hat, macht dies Ihre Aussage nicht besser, denn Sie bezeichnen Kinder noch immer als "etwas". Aber ich verstehe schon, was Sie meinten und sehe das ja teilweise ähnlich. Ich meine, nur weil Deppen existieren, heisst das auch nicht, dass man deren dumme Aussagen akzeptieren muss (was auch nicht beleidigend gemeint ist, sondern lediglich den Grund meines Schreibens erklärt). Dass Sie aber auf Argumente zurück greifen mussten, die beleidigend sind, erstaunt nicht, es ist auch schwierig sachliche Argumente vorzubringen, wenn es schlicht keine gibt.

Daher mein Rat an Sie: Kümmern Sie sich bitte weiterhin um weltbewegende Themen wie das Burkaverbot, das Sie öffentlich gefordert haben. Suchen Sie weiterhin nach Antworten, wieso Sie sich gegen Kopftücher bei Musliminnen, nicht aber bei Nonnen sind. Das sind Ihre Kernthemen, bitte bleiben Sie dabei und lassen Sie die Finger von Regenbogenfamilien. Lassen Sie zu, dass die wahren Familienpolitiker Ihrer Partei im Parlament für Adoptionsrechte und somit familienfreundlich stimmen können. Wenn Ihnen Ihre davonlaufende Stammwählerschaft im konservativen Wallis wichtiger ist, können Sie im Nationalrat dagegen stimmen, so viel Sie wollen, aber schweigen Sie einfach besser, statt wehrlose Kinder zweier liebender Eltern mit Drogen zu vergleichen. Sonst verspielen Sie nicht nur Ihre Glaubwürdigkeit, sondern auch Ihre persönliche Integrität!

Freundliche Grüsse
Alan David Sanginés

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Ein offener Brief an Herrn Christian Wasserfallen

Sehr geehrter Herr Nationalrat Wasserfallen
Vor ein paar Wochen hat das "Mannschaft Magazin" Ihnen einen offenen Brief geschickt, in welchem es Ihnen sein Bedauern zu Ihrem Abstimmungsverhalten bezüglich der Petition, die Adoptionsrechte für homosexuelle Paare fordert, mitgeteilt hat. Auf diesen Brief haben Sie folgendermassen geantwortet:
"Danke für Ihre Stellungnahme. Ich gebe es offen zu, dass ich zwar in wirtschaftlichen Belangen liberal bin, das aber bei gesellschaftlichen Fragen nicht so ist. Ich bin nicht überzeugt davon, dass gleichgeschlechtliche Paare auch Eltern sein sollen. Das entspricht nicht meinen persönlichen Grundhaltungen. Diese Diskussion ist denn auch gar nicht rein argumentativ zu führen sondern basiert halt wirklich auf individuellen Grundwerten. In der Politik gibt es auch die Situation, wo man einmal verliert und ein anderes Mal gewinnt. Danke für Ihre Kenntnisnahme."


Quelle: Mannschaft Magazin
Bitte erlauben Sie mir ein paar Bemerkungen dazu. Es ist bereits schlimm genug, dass die Mehrheit der Nationalrätinnen und Nationalräte der angeblich liberalen FDP gegen die Aufhebung des Adoptionsverbotes für homosexuelle Paare gestimmt haben. Ihre Antwort ist aber nicht nur als liberaler Sicht erschütternd.

Immerhin haben Sie zugegeben, dass Sie nur in wirtschaftlichen Belangen liberal sind, nicht aber in gesellschaftlichen. Mich wundert das zwar, weil die FDP sich immer gerne als die liberalste Partei der Schweiz darstellt, aber im Falle dass Sie an Ihrer Position festhalten, bin ich mir sicher, dass Sie dafür sorgen werden, dass die FDP von nun an nicht als „FDP – die Liberalen“, sondern als „FDP – die wirtschaftsliberalen Konservativen“ auftreten wird.

Nun aber zur Kernaussage Ihres Schreibens. Sie sagen, dass Sie gegen die Aufhebung eines Verbotes sind, dies aber argumentativ nicht begründen können?! Sie, als Nationalrat einer Partei, die sich immer gegen Verbote stellt und für möglichst wenig Einmischung des Staates gegenüber dem Volk ist ("mehr Freiheit, weniger Staat" stammt doch von Ihrer Partei), wollen also ein staatliches Verbot aufrecht erhalten, obwohl Sie nicht mal Argumente dafür haben und sich einzig auf eine „persönliche Grundhaltung“ stützen? Sie rechtfertigen aber nicht nur ein Verbot, sondern eine offensichtliche Diskriminierung und eine stossende Rechtsungleichheit mit Ihren „individuellen Grundwerten“? Eine solche Haltung könnte man vielleicht von kleinen Kindern oder fundamentalistischen Christen erwarten, aber nicht von einem gewählten Nationalrat, der als einer seiner politischen Schwerpunkte die Stärkung der Bildung nennt. Dies macht die Sache umso schlimmer. Wären wir hier in einem Strafrechtsprozess könnte man beim fundamentalistischen Christen noch von einer gewissen Unzurechnungsfähigkeit sprechen. Bei Ihnen hingegen müsste man von einer Absicht und vollen Schuldfähigkeit ausgehen!

Da Sie ja keine Argumente (bis auf Ihre Grundhaltung, was eben kein Argument ist), zu haben scheinen, hier ein paar Fakten, die sich vielleicht doch auf Ihre Grundhaltung auswirken dürften:

  • In acht Ländern Europas ist es homosexuellen Paaren erlaubt, Kinder zu adoptieren. Dazu gehören sowohl das katholisch geprägte Spanien, als auch die fortschrittlichen skandinavischen Länder (gemäss Ihrer Website immerhin Ihre Lieblingsferiendestination). Die Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten erlauben homosexuellen Paaren die Adoption ebenfalls. Bemerkenswert dabei ist besonders, dass die Adoption sogar in ultra konservativen Staaten wie Tennessee oder Alaska erlaubt ist. Sogar also in jenen Staaten, in welchen die Konservativen erbittert gegen die Homoehe kämpfen, hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Homosexuelle gute Eltern sein können.
  • Weitere Länder, die das volle Adoptionsrecht kennen, sind unter anderem die ebenfalls eher konservativen Länder Argentinien, Uruguay und Brasilien.
  • Dazu kommen zahlreiche Länder, welche die Stiefkindadoption kennen.
  • Die Frage, wie Kinder bei homosexuellen Eltern aufwachsen, ist in unzähligen Studien bereits untersucht worden. Die wohl bekannteste Studie ist die 2009 veröffentlichte Studie der Universität Bamberg, die belegt, dass Kinder von homosexuellen Eltern gleich gut wie bei heterosexuellen Eltern aufwachsen. Sämtliche Studien, die auf diesem Bereich durchgeführt wurden, kamen zum selben Schluss.  Die Forschung, deren Förderung Sie ja als eines Ihrer politischen Schwerpunkte genannt haben, ist hier also einer Meinung.
  • In der Schweiz leben heute schätzungsweise 6'000 – 30'000 Kindern bei homosexuellen Paaren. Diese Kinder leben heute in einer völlig rechtsfreien Situation. Mindestens ein Elternteil braucht immer eine Vollmacht, wenn er oder sie die Kinder aus der Krippe abholen, zum Arzt bringen oder an Elterngesprächen teilnehmen wollen. Stirbt der leibliche Elternteil kann das Kind seinem anderen Elternteil weggenommen werden, stirbt der andere Elternteil, hat das Kind keinerlei Erbrechte. Dies führt also dazu, dass Kinder die Leidtragenden sind.
  • Wenn ich als homosexueller, aber alleinstehender Mann ein Kind adoptieren will, kann ich das. Sobald ich mit meinem Partner aber ein Kind adoptieren will, kann ich das nicht mehr. Das Gesetz erlaubt es also, dass ich alleine ein Kind adoptiere, mit meinem Partner aber nicht. Das Kind soll also lieber nur einen statt zwei Elternteile haben. Finden Sie das logisch?
  • Dass das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare eine Diskriminierung und rechtsstaatlich bedenklich ist, hat sogar die Rechtskommission des Nationalrats anerkannt. Aber auch der Europäische Menschenrechtshof ist dieser Ansicht. 

So viel zu den Fakten.

Geradezu an menschenverachtender Arroganz grenzt Ihre Aussage, dass es in der Politik Situationen gibt, wo man einmal verliert und ein anderes Mal gewinnt. Bitte was? Gerade Sie, als eine Person, die nicht zuletzt dank der Bekanntheit Ihres Vaters eine steile politische Karriere hinlegen konnten, sollten in dieser Frage etwas sensibilisierter sein. In dieser Frage geht es nicht um einen Fussballmatch wo man einmal gewinnt und einmal verliert. Es geht nicht um ein politisches Powerplay. Es geht nicht um eine Wahl in ein Parlament. Es geht um das Leben von Kindern! Es geht um verbaute Zukunftschancen von Kindern, die ohne Eltern aufwachsen, dies aber könnten! Es geht darum, Kindern Elternliebe zu verweigern! Können Sie allen ernstes einem Kind, das gerne bei zwei liebenden Eltern aufwachsen würde in die Augen schauen und sagen „tja, ich habe zwar keine Argumente, aber meine Grundhaltung will jetzt nicht, dass du die Chance auf Elternliebe erhälst, manchmal verliert man eben, Pech gehabt, Kumpel“?!

Die Fakten haben wir schliesslich behandelt. Aber da Sie aus „persönlicher Grundhaltung“ gegen die Aufhebung des Adoptionsverbotes sind, versuche ich es noch mit folgenden Überlegungen:

Stellen Sie sich vor, Sie und Ihre Partnerin würden gerne ein Kind adoptieren. Nun kommt das Parlament und sagt, dass es ein Adoptionsverbot für Wasserfallens geben sollte. Einen Grund dafür braucht es keinen, schliesslich ist das die persönliche Grundhaltung des Parlaments. Wäre das für Sie in Ordnung? 
Oder stellen Sie sich vor, Sie leben mit einer Partnerin zusammen, die bereits ein Kind hat. Das Kind wächst bei Ihnen auf, nach zwölf Jahren verunfallt aber die Mutter des Kindes und stirbt. Sie können das Kind gesetzlich aber nicht adoptieren, weil das den Wasserfallens dieses Landes halt nicht erlaubt ist. Das Kind könnte Ihnen weggenommen werden. Pech gehabt, Mann, manchmal verliert man im Leben!

Wie Sie sehen gibt es also überhaupt keinen Grund, weder einen persönlichen, geschweige denn einen wissenschaftlichen, um das Adoptionsverbot aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund appelliere ich an Ihr liberales Gewissen (unnötige staatliche Verbote abzuschaffen), an Ihr wissenschaftliches Verständnis (Erkenntnisse sämtlicher Studien, dass Kinder bei homosexuellen Eltern gut aufwachsen), an Ihre menschlichen Gefühle (Kindern ein gutes zu Hause zu ermöglichen), an Ihr rechtsstaatliches Verständnis (keine gesetzliche Diskriminierung homosexueller Paare) und an Ihren gesunden Menschenverstand (alle oben genannten Punkte zusammen): Noch ist es nicht zu spät! Im Parlament sind zwei Motionen hängig, die Adoptionsrechte für homosexuelle Paare fordern.
Ich bitte Sie, Ihrer liberalen Etikette gerecht zu werden und beiden Motionen zuzustimmen und dieses Land zu einem fortschrittlichen und besseren Ort zu machen, wo das Kindeswohl und keine konservativen Denkweisen im Vordergrund stehen!

Besten Dank!

Freundliche Grüsse
Alan David Sanginés

Samstag, 8. Oktober 2011

Ein paar Gedanken zum Coming Out Day

Am 11. Oktober ist wieder Coming Out Day. Der Tag, an dem alle homo-, bi- und transsexuelle Menschen aufgerufen sind, sich zu outen und somit zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen.

Ist ein solcher Tag überhaupt nötig? Heute haben die LGBTs (=Lesbian Gay Bisexual Transgeder) viel erreicht und brauchen einen solchen Tag überhaupt nicht, könnte man meinen.

Noch immer gibt es unzählige Menschen, die mit ihrer sexuellen Orientierung ringen. Noch immer gibt es starke konservative Strömungen, die alles tun, um unsere Rechte zu torpedieren und unsere mühsam erkämpften Fortschritte in der Gesellschaft zurück zu drängen. Noch immer ist die Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen um ein vielfaches höher, als bei heterosexuellen Jugendlichen. In den USA wurde kürzlich spektakulär über die Selbstmorde Jugendlicher berichtet, die sich das Leben genommen haben, weil sie aufgrund ihrer Homosexualität gemobbt wurden. Solche Fälle gibt es in jedem Land dieser Welt.

Auf der anderen Seite ist die beste Wirkung, um Vorurteile und Hass gegen LGBTs abzubauen, wenn man diese kennt. Es ist viel leichter, über Menschen zu wettern, die einem fremd sind. Sobald viele Leute, die LGBTs ablehnend gegenüber stehen, feststellen, dass es in ihrem Umfeld durchaus LGBTs gibt, werden sie gezwungen sein, sich mit diesem Thema auf einer anderer Ebene auseinander zu setzen und müssen ihre Vorurteile automatisch hinterfragen. Ich spreche aus Erfahrung, Leute aus meinem Umfeld, die früher grosse Mühe mit dem Thema Homosexualität hatten, haben seit meinem Outing eine völlig neue Sichtweise auf dieses Thema und akzeptieren Homosexuelle nun völlig.

Viel wichtiger ist es aber, dass jene Menschen, die ihre Orientierung geheim halten, merken, dass dieses Versteckspiel eine unheimliche Belastung ist, die gar nicht nötig wäre. Dieses Versteckspiel ist ein Teufelskreis - eine Spirale die nur abwärts gehen kann. Denn auch wenn man sein Umfeld belügen kann, man kann sich niemals selber belügen. Selbstverständlich gibt es Fälle, in denen akute Gefahr (physisch oder psychisch) für Menschen besteht, wenn sie sich outen. Dennoch sollten sie an diesem Tag daran erinnert werden, dass sie sich Hilfe holen können. Dass sie sich ein Umfeld suchen können, das so ist wie sie, in welchem sie akzeptiert werden, wie sie sind und nicht dafür was sie zu sein vorgeben.

Dies auch als Aufruf an alle geoutete LGBTs: Wir dürfen uns nicht zurück lehnen. Es gibt viele konservative Gruppierungen die uns bekämpfen wann und wo sie können. Sie werden auch den 11. Oktober zum Anlass nehmen, uns als krank oder verwirrt darzustellen. Wir müssen lauter sein!

Wir müssen diesen Tag nutzen, um unser Coming Out anzusprechen. An unser Coming Out erinnern. All die Menschen wieder daran erinnern, dass es uns gibt, dass es uns gut geht und dass wir zwar sexuell anders, aber dennoch ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind. Wir müssen zeigen, dass wir STOLZ darauf sind, homo- bi oder transsexuell zu sein zu sein. Und zwar nicht stolz auf die Tatsache, dass wir dies sind (für unsere sexuelle Orientierung können wir nichts, auch wenn ein paar Deppen das noch immer nicht begriffen haben), sondern darauf, dass wir zu uns stehen können. Stolz darauf sein, dass wir uns unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft haben, trotz massiver Gegenwehr und Hetze konservativer Ewiggestriger. Stolz darauf, dass wir mit unserer Sexualität zufrieden sein können. Und letztendlich zeigen, dass Heterosexualität nicht normaler, sondern nur häufiger ist (zur Erinnerung: in über tausend Spezies wurde Homosexualität festgestellt).


Und all die Konservativen, die den 11. Oktober einmal mehr nutzen wollen, um uns zu bekämpfen, um zu behaupten, wir seien verwirrt, krank oder abnormal: Schaut genau hin. Wir sind viele, wir stehen zu uns, wir haben unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft und kämpfen für all jene, die noch nicht daran glauben, dass sie auch als LGBT einen Platz in der Gesellschaft haben. Wir werden euren Hass weiterhin zurück drängen. Jede Person, die am 11. Oktober zu ihrem Coming Out steht, steht auch dafür, dass ihr gescheitert seid und auch weiterhin scheitern werdet. Schliesslich liegt es an der Natur der Sache, dass ihr weiterhin scheitern werdet, zumal Homosexualität in über tausend Spezies festgestellt wurde, während Homophobie nur in einer vorkommt. Abnormal ist als einzig euer Gedankengut. Natürlich werdet ihr nicht aufgeben und weiterhin eure bestenfalls gut gemeinten Heilungsratschläge, schlimmstenfalls eure hasserfüllten Tiraden auf uns los lassen und gegen unsere Rechte kämpfen. Wenn ihr's nicht lassen könnt, nur zu - wir sind bereit!

Freitag, 9. September 2011

Unterhaltspflicht: Wenn Opfer zu Tätern gemacht werden

Die Geschichte ist eigentlich nicht neu. Der Vater eines Kindes vernachlässigt seine Unterhaltspflicht, die Mutter muss das Geld gerichtlich einfordern. In diesem Fall ist aber etwas doch neu. Die Böse ist die Mutter, das Opfer der nicht zahlende Vater. Unglaublich aber wahr, eine Schweizer Boulevardzeitung schafft es tatsächlich in diesem Fall die Mutter zur Täterin zu machen.

Vor kurzem publizierte eine Schweizer Boulevardzeitung einen Artikel, wonach Nationalrätin Chantal Galladé ihren Ex-Partner und Vater ihres Kindes gerichtlich zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht (in Form von Nachzahlungen für die Teuerung) für die gemeinsame Tochter zwingen will. Dabei geht es laut der Zeitung um einen Betrag von 50.- für welchen die böse, gut verdienende Nationalrätin den armen Vater ihres Kindes in die Mühlen der Justiz zerrt. Ausserdem habe sie die Frechheit, dies mit Hilfe ihres Lebenspartners, Nationalratskollegen und Strafrechtsprofessors Daniel Jositsch, zu tun.

Die Kommentarspalten sind voller empörten Meinungen, die Chantal Galladé mit Häme überschütteten und sogar die Zeitungen berichten von wütenden Leserreaktionen, die sich gegen Chantal Galladé richten. Einem SVP Nationalrat platzte ab dieser Ungeheuerlichkeit derart der Kragen, dass er eine Motion einreichen will, welche verhindern soll, dass man Klagen gegen nicht zahlende Elternteile einreichen kann, wenn es sich um Nachzahlungen handelt.

Willkommen in der Bananenrepublik Schweiz, in der Mütter, die für die Rechte ihrer Kinder klagen die Bösen und die nicht zahlenden, gut verdienenden Väter die Opfer sind.

Wie heuchlerisch die Empörungen doch sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Teuerung, die in Unterhaltsverträgen vorgesehen ist. Dies ist darum logisch, weil der Wert des Geldes zwischen Geburt und Erwachsenwerden eines Kindes enorm schwanken kann. Im vorliegenden Fall geht es um einen monatlichen Betrag von 50.-, der rückwirkend 3'200.- ausmacht und bis zum 20-25 Altersjahr der Tochter 20'000.- ausmachen kann. Mich würde die Reaktionen der sich empörenden Personen interessieren, wenn ihren Kindern ein solcher Betrag zustehen würde. Ebenfalls würde mich die Reaktion dieser Leute interessieren, wenn ihnen eine solche, ihnen vertraglich zustehende Teuerung, zum Beispiel bei ihrem Lohn nicht ausbezahlt würde.

Wichtiger als das Finanzielle ist aber das Prinzip. Es gibt viele allein erziehende Mütter, die ihren Kindern zustehende Unterhaltszahlungen nicht erhalten. Aus diesem Grund gibt es den Strafbestand „Vernachlässigen der Unterhaltspflicht“ gemäss Art. 217 StGB schliesslich. Natürlich gibt es Väter, die selber am Existenzminimum leben und darauf muss entsprechend Rücksicht genommen werden (dazu weiter unten). In diesem Fall geht es aber um einen Rektor einer Berufsfachschule, der laut kantonalen Richtlinien sehr gut verdient (mehr als Nationalräte). Es kann, darf und soll nicht sein, dass Väter mit solchen Löhnen ihren Unterhaltspflichten nicht nachkommen und die, für sie tatsächlich läppischen 50.- pro Monat, nicht zahlen. Dieser Betrag ist für eine solch gut verdienende Person ein Klacks. Für ein Kind kann dies aber einen Unterschied von 20'000.- machen. Die Empörung über den Betrag hat sich also nicht gegen die klagende Mutter, sondern gegen den nicht zahlenden Vater zu richten.

Dass ein SVP Nationalrat nun Morgenluft wittert und den Strafbestand der „Vernachlässigung von Unterhaltspflichten“ für Nachzahlungen streichen will, ist allerdings Grund zur Empörung. Dies zeugt von einer enormen Geringschätzung allein erziehender Eltern und würde bedeuten, dass die unterhaltspflichtigen Personen geradezu ermutigt werden, zu wenig Unterhalt für ein Kind zu zahlen, da sie kaum Konsequenzen zu befürchten hätten. Die Aussage, es gäbe viele Menschen mit unteren und mittleren Einkommen, die sich eine solche Nachzahlung nicht leisten könnten, zeugt ausserdem von einem grossen Unverständnis und völliger Ahnungslosigkeit des Artikels im Strafgesetzbuch. In diesem steht nämlich, dass sich nur strafbar macht, wer seiner Pflicht nicht nachkommt, obschon er die Mittel dazu hat. Dem eifrigen SVP Nationalrat sei daher empfohlen, sich zu informieren, bevor er sich über vermeintlich ungerechte Strafgesetzbuchartikel empört.

Am lächerlichsten ist aber die Empörung darüber, dass Chantal Galladé sich von ihrem Partner vertreten lässt. Wer bitteschön würde sich in einem ähnlichen Fall nicht von seinem Partner vertreten lassen, wenn dieser Anwalt ist? Wer sich allen ernstes darüber empört, dass Partner (oder auch Freunde) sich gegenseitig unterstützen, hat eine sehr seltsame Auffassung von Beziehungen.

Der wahre Skandal an der Geschichte ist, dass es noch immer Mütter (aber auch Väter) gibt, welche die Unterhaltszahlung von vermögenden Vätern (oder Müttern) an ihre Kinder gerichtlich erzwingen müssen. Alle anderen künstlich hochstilisierten Empörungen in dieser Geschichte sind nichts weiter als heuchlerisch und entbehren jeglicher Grundlage!

Freitag, 19. August 2011

Ein offener Brief eines Sozis an Herrn F. Stöhlker

Sehr geehrter Herr Fidel Stöhlker

Ich schreibe Ihnen, als direkt Angesprochener Ihres Blogbeitrags. In Ihrem Blog schreiben Sie folgendes:

Und schon wieder die Kosovaren. Sie pöbeln, prügeln, schlitzen, stechen und töten Menschen. So auch in Interlaken am vergangenen Montag, wo zwei Kosovaren dem Schwinger und SVP-Politiker Kari Z. die Kehle aufgeschlitzt haben. Die perfekte Tat für einen feurigen SVP-Wahlkampf. Es gibt darüber eigentlich nicht viel zu sagen ausser, dass wir über viele Jahre inzwischen gelernt haben, dass die Kosovaren ein niederes Volks sind und der Schweiz überhaupt gar nichts bringen, als Unruhe und Kosten für den Staat. Der grösste Fehler der Schweiz war, dass wir diese Individuen in unser Land gelassen haben. Und diese Probleme mit den Kosovaren kenne ich seit meiner Kindheit.

Ich frage mich, was eigentlich die Sozis zu diesen Taten sagen. Die Sozis unterstützen dieses Pack und kosten uns dadurch sehr viel Geld. Entweder werden sie inhaftiert, was natürlich wir Bürger bezahlen oder man lässt sie frei, wo sie dann gleich weiter machen. Die SVP wird immer mehr eine gut wählbare Partei und wenn hier jemand den Vorschlag bringen würde jeden Kosovaren sofort auszuschaffen, stimme ich sofort zu. Wir brauchen dieses eigenartige Volk nicht. Mir fällt kein einziger Grund ein, warum diese Leute in unseren Land leben sollen.

Da ich nicht davon ausgehe, dass dieser Blog eine späte Abrechnung mit Ihrem Vater dafür ist, dass er Sie und Ihren Bruder Raoul nach den Castro Brüdern Kubas benannt hat, beantworte ich Ihnen Ihre Fragen gerne und erlaube mir, ein paar Worte zu erwidern.

Zur Frage, was ich als Sozi zu diesen Taten sage, so kann ich Ihnen versichern, dass ich diese Taten ebenso abscheulich finde wie Sie und ebenfalls der Meinung bin, dass Ausländerinnen und Ausländer, die schwer kriminell sind und somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, ins Gefängnis gehören und ihr Gastrecht verwirkt haben, so wie dies das heutige Gesetz schon vorsieht und wie es nach den Vorschlägen der Arbeitsgruppe des Bundes zur Umsetzung der Ausschaffungsinititive ebenfalls vorgesehen hätte.

Dass Sie die Kosovaren (als ob es "den Kosovaren" geben würde) als nieder bezeichnen und der Meinung sind, man sollte jeden Kosovaren ausschaffen, ist einem gebildeten PR-Berater wie Ihnen, eigentlich unwürdig.

Desweiteren fragen Sie sich, was "diese Individuen" uns bringen sollen und dass "unser Land dieses eigenartige Volk nicht braucht". Mal ganz abgesehen davon, dass uns diese pauschlisierende Abwertung eines Volkes an düstere Zeiten erinnern (falls Sie nicht wissen, wovon ich spreche, können Sie ja Ihren Vater fragen, der 1941 in Deutschland geboren ist), beantworte ich Ihnen auch diese Frage sehr gerne.

Dazu muss man aber ein paar Jahre zurück blicken. Da Sie offenbar mit Geschichte nicht viel anfangen können, helfe ich Ihnen gern auf die Sprünge. Die Kosovaren wurden in den 60er und 70er Jahren vor allem vom Schweizerischen Bauernverband in die Schweiz geholt. Aber auch in anderen Branchen, wie beispielsweise der Bau- oder Industriebranche, war man sehr froh um die Gastarbeiter. So kam es, dass die Schweiz bald Tausende von Gastarbeiter aus dem damaligen Jugoslawien in die Schweiz holte. Man hatte aber kein Interesse daran, sie zu integrieren, da sie ja ohnehin nur billige Arbeitskräfte waren und nach getaner Arbeit wieder verschwinden sollten (auch die Gastarbeiter wollten bald wieder in ihre Heimatländer zurück). Dann aber kamen die schweren politischen Unruhen im ehemaligen Jugoslawien auf, die, wie Sie hoffentlich wissen, in einem Krieg gipfelten. Aus diesem Grund holten viele Gastarbeiter ihre Familien in die Schweiz, um sie vor dem Krieg zu schützen. Deswegen haben wir heute so viele Kosovaren in unserem Land, lieber Herr Stöhlker. Gebracht haben Sie uns wirtschaftlichen Aufschwung und dringend benötigte Arbeitskraft. Gekommen sind ihre Familien aufgrund grausamer kriegerischer Ereignisse. Geblieben sind Sie, aufgrund der durch die Kriege zerstörte Wirtschaft ihrer Heimat. Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie ruhig einen Stammwähler der SVP, einen Bauern. Ansonsten empfehle ich Ihnen, einmal eine Baustelle aufzusuchen und zu sehen, wer dort harte körperliche Arbeit verrichtet, wissen Sie, jene Arbeit, aus der Häuser entstehen, in welchen Sie dann aus dem klimatisierten Büro Ihres Vaters bloggen können, oder Strassen saniert werden, damit Sie mit teuren Autos auf sicheren Strassen ohne Schlaglöchern fahren können.

Überhaupt ist es sehr anmassend, sich zu fragen, was eine Bevölkerungsgruppe "uns bringt". Auch diese Unterscheidung, von wertvollen und wertlosen Rassen erinnern uns an dunkle Kapitel, die wir lieber nie wieder aufschlagen wollen.

Gerne erinnere ich Sie auch daran, dass heute ca. 200'000 Menschen mit albanischer Abstammung in der Schweiz leben. Wenn alle davon arbeitslos, kriminell und gefährlich werden, hätten wir wohl schon längst Bürgerkriege in unserem Land, meinen Sie nicht auch?

Natürlich gibt es negative Vorfälle, die gross in den Medien erscheinen. M. eine Kosovarin, die mit mir in die Schule gegangen ist und mit der ich sehr viel Spass hatte (nein, wir verprügelten keine Leute), kommt nicht in den Schlagzeilen. Genauso wie A. eine weitere Freundin von mir, die eine gute Stelle bei einer Bank hat, nebenbei noch studiert und perfekt integriert ist. Das ist die Mehrheit der Kosovaren in unserem Land, Herr Stöhlker.

Bedauerlich finde ich aber auch, dass Sie den schrecklichen Angriff aus Interlaken als "perfekte Tat für einen feurigen SVP-Wahlkampf" betiteln. Wie soll man das bitte verstehen? Schicken Sie den Tätern jetzt Dankesbriefe? Der Satz entlarvt aber sehr vieles. Dass es gerade die SVP ist, die von solchen Taten profitiert und seit Jahren ein Interesse daran hat, dass der Unmut der Bevölkerung gegenüber Ausländern gross bleibt. Deswegen sträubt sie sich gegen alles, was die Situation entschärfen könnte, wie folgende Punkte zeigen:

1. Bringt der Bund Vorschläge, um die Ausschaffungsinititave umzusetzen, stellt sich die SVP quer, weil es ihr zu wenig weit geht, wenn man die Initiative völkerrechtskonform umsetzen möchte. Die SVP weiss, dass wir als Staat uns an das Völkerrecht halten MÜSSEN und deswegen niemals den SVP Wunsch nach automatischen Ausschaffungen für kleinste Vergehen nachkommen können. Statt aber Hand zu bieten, stellt sich die SVP quer, um das Süppchen immer kochen zu können.

2. Sämtliche Integrationsbemühungen des Bundes und der Kantone werden bekämpft. Im Kanton Zürich hat die SVP dafür gesorgt, dass ein Gesetz, das Integrationsvereinbarungen vorgesehen hätte (also Verträge, in denen sich Ausländer gegenüber den Behörden verpflichtet hätten, sich zu integrieren) nicht in Kraft treten konnte.

3. Finanzpolitisch fordert die SVP immer tiefere Steuern vor allem für Wohlhabende und will, dass der Staat möglichst wenig Geld zur Verfügung hat. Der Staat hat nur für eine starke Armee zu sorgen und den Bauern viel Geld zu zahlen, ansonsten hat er keine Aufgaben zu erfüllen, ist die SVP Mentalität. In Schulen braucht es keine Sozialarbeiter (die vielleicht dafür gesorgt hätten, dass Sie in der Schule nicht verprügelt worden wären), überlastete Lehrer (die ebenfalls hätten dafür sorgen können, dass Sie in der Schule nicht verprügelt worden wären) interessieren die SVP nicht und genügend Mittel um genug Personal bei den Strafverfolgungsbehörden zu haben, die dafür sorgen, dass kriminelle Jugendliche rasch verurteilt werden (und somit niemanden in der Schule verprügeln können), sind in der SVP Buchhaltung auch nicht vorhanden.

4. Im Bildungskonzept der SVP sind nur die guten Kinder vorgesehen und die schwachen Kinder müssen halt selber schauen, was mit ihnen passiert. Dass diese Kinder oftmals aufgrund von Sprachschwierigkeiten schulisch schwach sind, interessiert die SVP nicht. Und dass Jugendliche, die durch die Masche fallen und keine Lehrstelle finden, eher Gefahr laufen, kriminell zu werden, interessiert die SVP ebenso wenig.

5. Ja sogar wenn es darum geht, dass die Schweiz den Kosovo als unabhängigen Staat anerkennt und somit beim wirtschaftlichen Aufbau dieses Staates zu helfen, was letztendlich dazu führen könnte, dass sich auch ein paar Kosovaren entschliessen könnten, in ihre Heimat zurück zu kehren, schiesst die SVP scharf gegen unsere Aussenministerin und möchte, dass die Schweiz Kosovo unter keinen Umständen anerkennt.

Fazit: Die SVP tut also absolut alles, um das Verhältnis zwischen der ausländischen und der schweizerischen Wohnbevölkerung zu verschlechtern und sie tut absolut gar nichts, um Kriminalität zu verhindern, sondern instrumentalisiert sie für ihre Zwecke.

Darum, Herr Stöhlker, wenn Sie also wirklich etwas gegen Gewalt in unserem Land tun möchten, sind Sie bei der SVP an der falschen Adresse. Und dass Sie erst recht auf dem Holzweg sind, wenn Sie ganze Rassen abwerten, haben wir nun hoffentlich gelernt.

Im Übrigen hoffe ich natürlich, Ihre Fragen befriedigend beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse
Ihr Sozi


Paperblog

Sonntag, 14. August 2011

Krawalle in London: Giftiger Cocktail

Nachdem London letzte Woche von wüsten Randalen heimgesucht wurde, überbieten sich Politiker und Medien mit schlauen Rezepten und Ideen. Maximale Härte, Law and Order, Bestrafung und Nulltoleranz gegenüber dem "kranken" (Zitat des britischen Premierministers David Cameron) Packs wird gefordert. Der Mittelstand, die Unterschicht aus ganz England und auch die Wohlhabenden rücken zusammen und verurteilen die Gewalt einhellig. In Petitionen werden harte Massnahmen gefordert, der Premierminister und Politiker schimpfen was das Zeugs hält und die berüchtigten britischen Revolverblätter machen freudig mit. "Wir werden euch finden und wir werden euch hart bestrafen", so David Cameron. Jippiaje, Cowboy! Wie einfach die Welt doch ist!

Selbstverständlich sind Ausschreitungen unter keinem Titel zu rechtfertigen. Es ist absolut inakzeptabel, Geschäfte zu plündern und Häuser in Brand zu stecken, geschweige denn Menschen zu attackieren. Man verbessert die eigene Situation so überhaupt nicht und anderen zu schaden, weil man selber nichts hat, ist ziemlich nieder. Und auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass eine gewisse Law and Order Politik durchaus Sinn macht, schiessen die Leute in diesem Fall weit übers Ziel hinaus. Der Ruf nach maximaler Härte ist nämlich kurzsichtig, einseitig und befriedigt vielleicht die Rachlust geschockter Bürger, aber bringt ganz sicher nichts, um künftige Krawallen zu verhindern.

Auch wenn Ausschreitungen nicht zu rechtfertigen sind, so sollten sie bei näherer Betrachtung gar nicht so überraschen. Menschen die in Problembezirken reicher Grossstädte leben, sind frustriert und haben oftmals schlechte Zukunftsaussichten. Während das Wirtschaftszentrum floriert und dort viel investiert wird, werden die Problembezirke gleich nebenan vergessen. Dass in Krisen aber gerade die Menschen, dieser Bezirke die ersten sind, die entlassen werden oder auf deren Rücken Sparmassnahmen vorgenommen werden, blendet man schnell aus. Gemäss diversen Medienberichten haben in letzter Zeit Messerstechereien und Überfälle in diesen Problembezirken Londons zugenommen. Und was hat man dagegen unternommen? Kaum etwas. Schliesslich war dies ein Problem der Menschen, die dort leben. Was geht die ziemlich gut lebende Mittelschicht die Probleme der Unterschicht in ihren Bezirken an, scheint die Devise zu sein.

Und nur einmal denkt man an die Menschen dort, dann wenn es darum geht, Sparmassnahmen einzuleiten. Sparmassnahmen, die aufgrund von Krisen nötig wurden, für die gerade die Unterschicht am wenigsten etwas dafür kann. Bildungszuschüsse und Arbeitsbeschaffungsprogramme werden gestrichen, Studiengebühren drastisch erhöht, Sozialleistungen gekürzt. Nachdem also die Leute in diesen Vierteln massenhaft ihre bereits schlecht bezahlten Stellen verlieren, streicht man Programme, die ihnen helfen sollen, wieder Arbeit zu bekommen? Leute, deren einziger Ausweg aus ihrer Misere Bildung ist, um bessere Jobs zu bekommen, werden übers Portemonnaie daran gehindert, zu studieren. Für die Olympischen Spiele 2012 hat man aber massenhaft Geld zur Verfügung, um die Welt zu beeindrucken. Wo bitteschön bleibt hier die Logik?!

Als erste Massnahmen werden nun Jugendliche, die an Krawallen teilgenommen haben, zusammen mit ihren Familien aus den Sozialwohnungen gewiesen. Premierminister Cameron erachtet dies als gute Massnahme und meint dazu, dass die Leute, die ihre Bezirke zerstören, keine Hilfe zu erwarten hätten. Klingt verführerisch einfach. Klingt verführerisch gerecht. Aber was dann? Wo sollen diese Leute dann wohnen. "Pech gehabt" - lautet die Antwort des Premierministers (und vieler Menschen). Auch das klingt plausibel. Nur verbessert das die Situation? Wenn nun alle Krawallanten obdachlos werden, werden sie dann weniger an Krawallen teilnehmen? Wohl kaum. Man raubt den Menschen ihr letztes Fünkchen Perspektive und hat damit seinen Durst nach Rache gestillt. Dass Menschen, die aber gar keine Perspektiven mehr haben, umso gefährlicher werden, blendet man aus.

Für den Premierminister wäre dies nun beinahe schon ein Glücksfall gewesen, hätte er sich nicht so unfähig angestellt und die Kürzungen von 20% bei der Polizei verteidigt. Ansonsten kann er aber nun Sparmassnahmen, die besonders die Armen betreffen, umso rücksichtsloser beschliessen und verkaufen. Schliesslich hat niemand Mitleid mit potenziellen Krawallanten. Die Tatsache, dass die Sparmassnahmen aber auch die Polizei betreffen und dort 20% gekürzt werden soll, versteht aber niemand mehr. Und so betreibt die Regierung weiter ihr unsinniges Spiel auf beiden Seiten: Weniger Polizei und weniger Perspektiven für die Unterschicht. Das ist nicht nur unlogisch, sondern ein gefährlicher Mix der zu einem giftigen Cocktail für die britische Gesellschaft (und alle anderen Gesellschaften, die dieses Rezept kopieren) werden kann.

Am Ende gibt es nur Verlierer: Die Regierung, die ihre Unfähigkeit demonstriert, die Randalierer, die jeglichen Goodwill verspielt haben und die Opfer, die unter den Ausschreitungen gelitten haben. Der giftige Cocktail hat bereits gewirkt, statt aber schlauer zu werden und ein Rezept dagegen zu finden, wird noch etwas mehr Gift dazu gemischt. Und das ist es, was eine traurige Geschichte vollends zu einem Drama werden lässt!



Paperblog

Samstag, 30. Juli 2011

Wenn Rassismus und Hass schick werden


Er wartet geduldig. Da! Es bewegt sich etwas? Was sieht man dort hinter dem Fels hervor kommen? Ja, das ist es! Ein typisches Beispiel von Multikulti, das es zu zerstören gilt. Er zielt und schiesst. Booom, getroffen. Cool. Da nochmals, hinter dem anderen Felsen. Zielen und Volltreffer! Hurra, diesen Multikultis zeigt er’s und freut sich darüber!

Nein, hier ist nicht vom Massaker in Norwegen die Rede, sondern von einem Computerspiel. Ein Computerspiel, das die SVP vor einiger Zeit ins Internet gestellt hat und man viel Punkte sammelt, wenn man auf Minarette und rufende Muezzins schiesst. Wenn man das Spiel verliert, ist die Schweiz „voller Minarette“, was als zusätzliche Motivationen dienen soll, alle Minarette zu treffen.

Noch immer trauert die Welt um das Massaker in Norwegen. Noch immer lesen wir fassungslos, dass offenbar ein Einzeltäter eine Bombe gezündet und junge Menschen erschossen hat. Aber auch wenn dies die Tat eines Einzeltäters war, so reicht es nicht, wenn man sich darauf beschränkt und zur Tagesordnung übergeht.

Der Täter ist ein offensichtlicher fremdenfeindlicher Rechtskonservativer, der sich als Kreuzritter im Kampf gegen den Islam und die Linken mit ihrer Vision einer multikulturellen Gesellschaft sieht. Er hat seine Tat lange geplant und hat in rechten Internetforen seine fremdenfeindlichen Ansichten schon lange preis gegeben. Unbemerkt. Und genau das ist das Problem.

Seit einiger Zeit ist eine schleichende Veränderung der Gesellschaft festzustellen. Rassismus, Fremdenhass, Vorurteile und Abschottung werden immer mehr zur Mode. Während man früher noch hinter vorgehaltener Hand mit den Sätzen „ich bin ja kein Rassist, aber....“ begonnen hat, stehen heute viele offen zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Ausländerinnen und Ausländern. Man begründet das halt mit schlechten Erfahrungen. Schlechte Erfahrungen sind schliesslich Grund genug, ganze Bevölkerungsschichten zu hassen. In der ganzen westlichen Welt, haben Rechtspopulisten Aufwind. Auch in der Schweiz! Dauernd hört man Warnungen, dass die Schweiz bald untergehe. Wir stimmen über Minarettverbote ab, stimmen über Ausschaffungsinitiativen ab, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar sind und diskutieren wie man am besten verhindern kann, von Asylbewerbern überrannt zu werden.

Mit Millionenkampagnen vermitteln die Rechtspopulisten in unserem Land, dass sie die einzig wahren Kämpfer für die Schweiz sind. In Inseraten wird behauptet, „Linke und Nette“ seien Schuld an den Schlägern, Vergewaltigern und Mördern unseres Landes. Abgerundet werden diese Kampagnen mit den Behauptungen, dass „Schweizer SVP wählen“ würden. Das Gefährliche an der Sache ist allerdings, dass die Kampagnen so tun, als würden sie die „einfachen Bürger“, also das Volk vertreten. Die Kampagnen geben vor, nur die Wut der Bürger auszusprechen und tatsächlich für die Bedürfnisse des Volkes zu kämpfen. Es werden Horrorszenarien aufgezogen (wie z.B. Inserate, die behaupten in 20 Jahren wäre 70% der Schweiz islamisch), nur um dann zu zeigen, dass man diese Horrorszenarien als einzige Partei bekämpft.

So sät man Hass. So sorgt man für Misstrauen. So macht man Rassismus schick. Die Hemmschwelle in vollen Zügen, an Mittagstischen oder an Arbeitsplätzen über Ausländer zu schimpfen, ist nicht mehr vorhanden. Schliesslich sagt man ja nur die Wahrheit.  Die Worte "Solidarität" oder "sozial" werden bereits als negativ oder als lächerlich empfunden. Als „Linker“ ist man sofort in der Defensive. Man hört sich dauernd an, dass man ohnehin weltfremd sei, die Schweiz verraten wolle, Kriminelle verhätscheln und möglichst viel Ausländer in unser Land holen möchte. Das Volk scheint zu wissen, was „die Linken“ denken und wollen, dank den einfachen Hasskampagnen von rechts. Ein Blick in Kommentarspalten von Onlinezeitungen reicht, um zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit und wie breit der Hass bereits gestreut wurde und wie selbstverständlich er geworden ist. Als beispielsweise vor ein paar Monaten ein Schweizer Bauer einen Ausländer erschoss, der von seinem Garten Hanfpflanzen stahl, waren die Kommentarspalten voll mit Sympathien für den Bauer.

Das ist der Nährboden für Fanatismus. Es ist nur logisch, dass dieser Nährboden weitere Hemmschwellen senkt. Wenn es in Ordnung ist, in Onlinespielen vor Abstimmungen Minarette abzuballern, wenn es in Ordnung ist vor Wahlen in Onlinespielen auf Richter zu schiessen und Linke zu verprügeln, wenn es in Ordnung ist Menschen- und Völkerrechte als Gefahr für ein zu Volk verkaufen, was kommt dann als nächstes? Die Leute fühlen sich wütend und sehen sich als Kämpfer für ihr Land. Als Beweis haben sie schliesslich täglich Inserate und die Hetze der grössten Partei unseres Landes, die weiterhin Öl ins Feuer giesst und den Hass anstachelt.

Auch wenn Worte nicht töten können, so lösen sie viel aus. Nur auf fruchtbarem Boden kann etwas wachsen. Das gilt auch für den Fanatismus und den Hass. Da braucht es nicht mehr viel, bis Spinner und Psychopathen sich plötzlich aufgerufen fühlen, im Namen des Volkes gegen „Linke und Nette“, Ausländer und Fremdes zu kämpfen, schliesslich haben sie die Meinung der grössten Schweizer Parteien im Rücken, wie sie täglich auf Plakatwänden und Inseraten sehen können.

Selbstverständlich weisen alle die Schuld weit von sich und empören sich, wenn man ihnen vorwirft, ihr Hass sei der Nährboden für das Massaker in Norwegen. Statt sich zu empören, täten diese Leute aber gut daran, darüber nachzudenken, was sie tun könnten, um Fundamentalismus den Nährboden zu entziehen. Denn wer mit dem Feuer spielt, will zwar in den meisten Fällen keinen Brand verursachen, muss aber damit rechnen, einen auszlösen, spätestens seit Norwegen sollten wir das in Europa wissen.

Fundamentalismus, extreme Positionen und Schüren von Vorurteilen sind Gift für eine Gesellschaft, egal ob es von links oder rechts kommt. Die Politik muss dafür sorgen, dass Auseinandersetzungen durchaus hart, aber mit dem nötigen Respekt und ohne Fanatismus geführt werden. Und das Volk darf sich nicht von Hetzern und Demagogen verführen lassen. Sonst steuern wir auf dunkle Zeiten zu, die sich Europa geschworen hat, nie wieder erleben zu wollen!



Paperblog

Donnerstag, 21. Juli 2011

Unnötiger Generationenkonflikt*

Über mehrere Monate hinweg zieht sich nun die vermeintliche Schlacht schon hin. In der SP tobt kurz vor den Nationalratswahlen ein heftiger Streit, in dem es um „Nachwuchspolitiker“ gegen „Sesselkleber“ zu gehen scheint. Der vorläufige Höhepunkt ist die Nichtnominierung der langjährigen Nationalrätin und Mietrechtsexpertin Anita Thanei, die viel verbrannte Erde hinterlassen hat. Wofür eigentlich?
Die Fronten scheinen auf den ersten Blick klar: Die Jungen wollen, dass ihnen die Alten im Parlament Platz machen. So einfach ist es aber nicht.
Als 25-jähriger Gemeinderat der Stadt Zürich, der erst seit einem Jahr im Parlament sitzt, würde ich theoretisch zu jenen gehören, die von den „Alten“ Rücktritte forden müsste. Dieses Geheule und die Art wie diese Diskussionen aber geführt werden, gehen mir aber enorm auf die Nerven.
Jung sein ist kein Programm! In einem Parlament braucht es erfahrene, langjährige Politikerinnen und Politiker, die den Politbetrieb kennen und sich mit ihrem über Jahre hinweg angeeigneten Sachwissen, Know-How und Netzwerk engagieren. Gleichzeitig braucht es auch Nachwuchskräfte, die frische Ideen einbringen. Es braucht also eine Mischung aus beiden. Und dafür ist in der SP gesorgt.
Bevor die unnötigen „die Dinosaurier müssen weg“-Forderungen gestellt wurden, war die Durchmischung bei den Wahlen 2011 bereits absehbar. Und mit der Tatsache, dass die beiden langjährigen und verdienten NationalrätInnen Christine Goll und Mario Fehr nicht mehr zu den Wahlen antreten werden, wurden bereits zwei Listenplätze für Nachwuchskandidaturen frei.
Das ganze Theater darum, dass weitere Personen, namentlich Anita Thanei oder Andi Gross, nicht mehr antreten sollen, war also unnötig und roch meiner Ansicht nach lediglich nach Profilierungssucht ungeduldiger Jungpolitiker, die möglichst ins Rampenlicht wollen. Als Jungpolitiker finde ich das falsch, schade und sehr bedauernswert. Es werden unnötigerweise Gräben aufgerissen, Parteikolleginnen und -kollegen brüskiert und Schlammschlachten ausgetragen. Das ist nicht nur schädigend, sondern auch höchst unwürdig jenen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger gegenüber, die sich seit Jahren für eine sozialere Schweiz einsetzen. Als Anita Thanei mitteilte, dass sie darauf verzichte, sich erneut vor den Delegierten zu präsentieren, um vielleicht den letzten Listenplatz zu erhalten, quittierte die Juso dies mit dem Kommentar, Anita habe der Partei „den letzten Akt dieses Theaters“ gespart. Was für eine höhnische und für eine Jungpartei, die sich sonst das Wort sozial nicht genug auf die Fahne schreiben kann, peinliche Aussage!   
Selbstverständlich gibt es sogenannte „Sesselkleber“, die nicht mehr viel leisten und sich nur an ihrem Amt festklammern. Die gibt es in allen Parteien. Es ist in Ordnung, Nationalrätinnen und Nationalräte zu kritisieren. Es ist ebenso in Ordnung mit ihnen über ihre Zukunft zu diskutieren und ihre Rücktritte zu fordern, wenn man mit ihrer Arbeit unzufrieden ist. Es ist aber höchst scheinheilig und kurzssichtig, dies über ein System zu tun, indem man pauschal sagt, dass Leute ab einem gewissen Alter oder ab einer bestimmten Amtsdauer nicht mehr antreten sollen.
Als Junpolitiker bin ich froh um die erfahrenen Parlamentarierinnen und Parlamentarier meiner Partei, von deren Know-How ich profitieren kann und die sich in unserem langsamen Politbetrieb gelernt haben durchzusetzen. Darum hüte ich mich davor, langjährige Parlamentarier wegjagen zu wollen und sie pauschal als Dinosaurier oder Sesselkleber zu betiteln. Solche Forderungen wirken zwar sehr revolutionär und garantieren Medienpräsenz, geleistet hat man dadurch aber noch absolut gar nichts.
Es wäre wünschenswert, dass dieser überflüssige Generationenkonflikt endlich beigelegt werden könnte und wir wieder als Partei, in welcher es für Jung und Alt, sowie für Nachwuchskräfte und erfahre Parlamentarierinnen und Parlamentarier Platz gibt und wir uns nicht bekämpfen, sondern von einander profitieren können.
Auch in der SP sollte es Platz für alle, statt für wenige haben!
Eine Randbemerkung kann ich mir allerdings nicht verkneifen: 1999 wurde der Genfer Nationalrat Jean Ziegler in Genf nicht mehr nominiert, nachdem dieser 28 Jahre lang (also beinahe länger als Andi Gross und Anita Thanei zusammen) für die SP Genf im Nationalrat gesessen hatte. Daraufhin war es die Juso Zürich, die Jean Ziegler auf Platz 1 ihrer Nationalratsliste setzte -und dies als „Solidaritätskandidatur“ bezeichnete!
*in der PS vom 21. Juli 2011 erschienen

Montag, 4. Juli 2011

Illi's Irrtum*

Kürzlich hat Frau Nora Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz, die im Islam teilweise noch vorhandene Mehrehe in der Zeitung „Sonntag“ mit folgenden Worten begründet: „Die Aufgabe einer Frau ist es, ihren Mann zufriedenzustellen. Wenn im Koran steht, dass ein Mann mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein kann, dann ist das so. Es liegt in der Natur des Mannes, dass er sich irgendwann nach einer anderen Frau sehnt. Viele Frauen sind zu egoistisch. Ich habe keinen Besitzanspruch auf meinen Mann.“

Diese Aussage ist grob verzerrter Unfug. Es ist richtig, dass im Islam die Mehrehe prinzipiell erlaubt ist. Sie kam aber nicht deswegen auf, weil die Frau den Mann zufrieden zu stellen hat, sondern entstand im Jahre 625 nach der Schlacht von Uhud, in welcher viele Männer fielen. In dieser Zeit lebten in der islamischen Gemeinschaft daher weniger Männer, dafür mehr Frauen und Waisen. Deswegen erlaubte der Prophet die Mehrehe von bis zu vier Frauen, nicht aber aufgrund des Triebes der Männer, sondern um soziale Missstände zu beseitigen. 

Der Krux an der Sache: Der Mann muss alle Frauen gleich zufriedenstellen und jeder die gleiche Aufmerksamkeit widmen. Das bedeutet auch, dass er jeder Frau ein eigenes Haus finanzieren und gleich viel Zeit mit jeder verbringen muss. Er darf keine benachteiligen. Aus diesem Grund erlaubte der Prophet die Mehrehe zwar, riet aber von ihr ab, weil er wusste, dass die Bedingungen praktisch unmöglich waren und der Mann somit seine Pflichten als Ehemann kaum hätte erfüllenn können. Der Prophet verbot seinem Schwiegersohn sogar, mehr als eine Frau zu heiraten und sagte gemäss einer Hadith (also einer überlieferten Nachricht): „wenn jemand zwei Frauen hat und sich nur einer von ich ihnen zuwendet, dann kommt er am Tag der Auferstehung mit einer gelähmten Körperhälfte.“ Die Frauen dürfen also auch in einem konservativen Islam ruhig etwas egoistischer sein. Wenn nicht sich selbst, dann der einen Körperhälfte ihrer Ehemänner zuliebe. 


*Artikel im Tages-Anzeiger am 4. Juli 2011 erschienen

Dienstag, 8. Februar 2011

Budget Stadt Zürich: Schädliche Kosmetik

So, nun hat Zürich den Salat. Gepfeffert zubereitet von den bürgerlichen Parteien. Der Stadtrat wurde dank einer Machtdemonstration von SVP, FDP, GLP, CVP und EVP dazu gezwungen, Einsparungen im Budget vorzunehmen, die nicht nötig gewesen wären, dafür aber umso schädlicher für unsere Stadt sind.

Gesunde Finanzen - inakzeptable Sparmassnahmen
Ja, die Stadt hat anfangs ein Defizit von 220 Millionen für 2011 geplant. Das klingt nach einem grossen Defizit, wenn man sich aber die Finanzen der Stadt Zürich anschaut, ist dies kein sehr grosses Defizit. Besonders, wenn man bedenkt, dass es ein KONJUNKTURELLES und kein STRUKTURELLES Defizit ist (also aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und nicht aufgrund der schlechten Finanzlage, vielleicht sollten die Bürgerlichen den Unterschied mal googeln). Dass es der Stadt in den letzten Jahren gelungen ist, Schulden von knapp 1.5 Milliarden Franken abzubauen und gar ein Eigenkapital von knapp 1 Milliarde anzuhäufen spricht bereits für sich. Aber egal, die Bürgerlichen wollten das so und zwangen den Stadtrat zu sparen, was er nun auch tun musste.
Auch ich wäre dafür gewesen, dass Zürich ein neues Fussballstadion oder ein neues Kongresshaus erhält und notwendige Sanierungen an der Infrastruktur vornimmt. Dass diese Projekte nun halt verschoben werden ist ärgerlich und kurzssichtig.
Was aber auf gar keinen Fall zu akzeptieren ist, sind die Kürzungen beim Personal der Stadt. Nicht nur aber vor allem im ohnehin schon überlasteten Gesundheitswesen und bei der öffentlichen Sicherheit geht es auf gar keinen Fall, dass Einsparungen vorgenommen werden!!

Sparbeispiel Pflegepersonal
Das Personal der Spitäler leistet verdammt wichtige Arbeit! Es sorgt für unsere Gesundheit, wenn wir Pflege benötigen. Wir alle sind dankbar, wenn wir in Spitälern gut betreut werden und das Pflegepersonal, das bei seiner Arbeit täglich mit den schaurigsten Dingen konfrontiert wird, uns professionell betreut. Und ja, zur täglichen Arbeit des Pflegepersonals gehören Dinge, bei denen sich uns nur schon beim Gedanken daran der Magen umdreht! Wir sollten diesen Menschen also sehr, sehr dankbar sein. Aber was tun wir statt dessen? Wir ignorieren, dass das Pflegepersonal personell derart im Anschlag ist, dass es dauernd unter extremem Zeitdruck arbeiten muss. Wir setzen Spitälern einem Wettbewerb aus, der den Druck unter den Spitälern derart steigert, dass wiederum das Personal darunter zu leiden hat. Wir überhören die Warnungen des Pflegepersonals, dass es unterbesetzt ist und zu wenig Leute findet, die bereit sind, diesen Beruf auszuüben. Und auch die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: 2009 verzeichnete das Triemlispital im stationären Bereich 19,477 Patienten, 2010 waren es über 20,000 Patienten. Das alles ignorieren wir und denken, dass es dann schon irgendwie gehen wird. Wie kurzssichtig ist dieser ignorante Irrglaube eigentlich?
Und jetzt, wo wir uns endlich dazu entschlossen haben, das Pfelgepersonal wenigstens ein wenig zu entlasten, wird hier wieder gestrichen. Statt dem Pflegepersonal endlich einmal den längst überfälligen Dank auszusprechen, treten wir ihm in den Hintern: Das Personal wird nicht entlastet und das Budget für Aus- und Weiterbildungskosten des Pflegepersonals um 25% gekürzt. Wie falsch dies ist, sieht man auch konkret am Beispiel des Stadtspitals Triemli: Da in anderen Spitälern die Geburtenabteilung geschlossen wurde und dadurch mehr Frauen im Triemli gebären ist bekannt, dass das Personal völlig am Limit arbeitet. Obwohl die Geburtenabteilung des Triemli in den kommenden Jahren jährlich 100 bis 300 mehr Geburten haben wird und deswegen dringendst auf mehr Personal angewiesen ist, mussten die 7 geplanten zusätzlichen Stellen gestrichen werden.

Sparbeispiel Polizei
Wer nicht hinter dem Mond lebt, weiss auch, dass Zürich sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer sehr lebendigen 24h Gesellschaft gewandelt hat, in welcher die Leute viel öfters ausgehen und ein immer breiteres Partyangebot besteht. Dass dies aber auch eine Schattenseite hat und somit mehr Polizisten und Sanität nötig werden, ist logisch, weswegen eigentlich 15 neue Polizei- und 2 neue Sanitätsstellen hätten geschaffen werden sollen. Aber nein, auch hier trifft die Sparattacke der Bürgerlichen die Bevölkerung: Die geplanten Stellen werden gestrichen, die öffentliche Sicherheit und das Personal bei der Polizei und in den Spitälern leidet.

Dankbarkeit statt Strafaktion
Das soll, darf und kann nicht sein. Es ist höchste Zeit, dass vor allem die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Bürgerlichen von ihrem hohen Pferd runtersteigen und sich endlich einmal dankbar für die enormen Leistungen zeigen, die vom Personal dieser Stadt erbracht wird. Dankbar dafür zeigen, dass man sich sicher fühlen kann und dankbar dafür zeigen, dass man in den Spitälern trotz den harten Arbeitsbedingungen gut betreut wird. 
Wenn die Bürgerlichen auf ein neues Stadion oder auf ein neues Kongresshaus verzichten wollen, ist das eine Sache, die sie mit ihren Wählerinnen und Wählern ausmachen müssen. Dass geplante Investitionen einfach um ein Jahr verschoben werden, ist nichts weiter als kurzfristige Kosmetik unseres Budgets. ABER die Sparmassnahmen, die das Personal betreffen sind ABSOLUT INAKZEPTABEL und können nicht einmal ansatzweise gerechtfertigt, gschweige denn in Kauf genommen werden. Hier wird diese billige Kosmetikpolitik der Bürgerlichen schädlich, für die Bevölkerung und das arbeitende Personal!
Die SP wird sich im Gemeinderat dafür einsetzen, diese unsäglich arroganten Angriffe der Bürgerlichen auf das Personal rückgängig zu machen. Ich hoffe, dass mindestens ein paar Bürgerliche erkennen, wie falsch diese Sparattacken sind und sich entschliessen, diese zusammen mit der SP aus dem neuen zu kippen. Aus Anstand gegenüber der Bevölkerung und dem hart arbeitenden Personal der Stadt Zürich!