Donnerstag, 23. Februar 2012

Auf halbem Weg stehen geblieben

In seiner Antwort auf die Motion der ständerätlichen Rechtskommission, die Adoptionsrechte für homosexuelle Paare fordert, hat der Bundesrat erstmals einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht - ist aber auf halbem Weg stehen geblieben.

Der Bundesrat befürwortet in seiner Antwort auf die Motion, homosexuellen Paaren die Stiefkindadoption zu erlauben. Wer also eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft mit einem Vater oder Mutter eingeht, soll die Möglichkeit haben, das Kind zu adoptieren. Das ist richtig und wichtig!

Trotzdem ist der Bundesrat dagegen, homosexuelle Paare zum Adoptionsprozess zuzulassen. Er begründet dies einzig und allein mit der "gesellschaftlichen Akzeptanz" die noch nicht vorhanden sei und dass das Partnerschaftsgesetz vom Volk deswegen angenommen worden sei, weil es ein Adoptionsverbot vorsieht. Aus diesen Gründen, erachtet es der Bundesrat "zum jetzigen Zeitpunkt als nicht opportun" das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare aufzuheben.

Bitte was? Mehr ist dem Bundesrat nicht eingefallen? Immerhin gibt er zu, dass es keine rationale Gründe gibt, homosexuellen Paaren die Adoption von Kindern zu verbieten! Wie auch? Sämtliche Studien bestätigen, dass Kinder von homosexuellen Paaren genauso gut aufwachsen, wie Kinder heterosexueller Paare. In einer TV-Diskussion zu diesem Thema hat sogar der Kinderpsychologe und Präsident der schweizerischen Fachstelle für Adoption Heinrich Nufer sich dahingehend geäussert, dass es keinen Grund gibt, das Adoptionsverbot aufrecht zu halten.
Selbst die Gegner von Adoptionsrechten, wie CVP-Nationalrätin Brigitte Häberli anerkannten in dieser Diskussion, dass homosexuelle Paare gute Eltern sein können (die anwesende lesbische Mutter Martina Scheibling anerkannte Frau Häberli zwar als sehr gute Mutter und als Vorbild für viele heterosexuelle Eltern) und konnte ihre Ablehnung nur damit erklären, dass es eben nicht in ihr Idealbild passe. So à la "Sie sind eine hervorragende Mutter und ein Vorbild, aber Kinder sollten Sie eigentlich trotzdem nicht haben, Sie super Mutter, Sie!" Damit reiht sich Frau Häberli in die Liste jener Parlamentarier (wie Christophe Darbellay oder Christian Wasserfallen) ein, die keine rationalen Argumente haben, ihr konservatives Idealbild aber trotzdem sämtlichen Menschen in unserem Land aufzwingen wollen.

Von einem Bundesrat darf mehr erwartet werden! Es ist daher erstaunlich, dass der Bundesrat teilweise trotzdem an seiner veralteten Ansicht festhält, obwohl er genau weiss, dass es keinen Grund dafür gibt.

Etwas heuchlerisch wird es allerdings, wenn der Bundesrat behauptet, Adoptionsrechte für homosexuelle Paare seien gesellschaftlich nicht akzeptiert und daher momentan nicht opportun. Als einziger Beweis dafür, nimmt er die Abstimmung über das Partnerschaftsgesetz vor sieben Jahren. Selbst wenn der Bundesrat mit seiner Vermutung, dass das Volk dem Gesetz vor sieben Jahren nur zugestimmt hat, weil es Adoptionsrechte verbietet, Recht haben sollte, haben sich die Zeiten geändert. Repräsentative Umfragen bestätigen dies: Zwei Drittel der Befragten sprechen sich für die Stiefkindadoption aus, 53% sogar für vollständige Adoptionsrechte! So viel zur gesellschaftlichen Akzeptanz lieber Bundesrat! Umso stossender wird das Argument, wenn man bedenkt, die Handlungen des Bundesrates in anderen Bereichen aus Opportunitäts-Perspektive betrachtet: Vor knapp einem Jahr hat die Schweiz mit knapp 73% die Senkung des Umwandlungssatzes der Pensionskassen deutlich abgelehnt. Nicht einmal ein Jahr später hat der Bundesrat angekündigt, den Umwandlungssatz der Pensionskassen dennoch senken zu wollen. Wo bleibt da die Opportunität, lieber Bundesrat?
Der Gipfel der Heuchelei ist aber die Tatsache, dass der Bundesrat die Adoptionsrechte "zum jetzigen Zeitpunkt" für nicht opportun hält. Gibt der Bundesrat damit also zu, dass das Adoptionsverbot durchaus aufgehoben werden muss, einfach noch nicht zum jetzigen Zeitpunkt? Grundsätzlich findet es der Bundesrat also nicht in Ordnung, dass Kindern ein gutes zu Hause verwehrt bleiben und homosexuelle Paare weiterhin diskriminiert werden sollen, nur zum jetzigen Zeitpunkt ist es halt schon okay?

Von unserer Regierung erwarte ich, dass sie sich für das Wohlergehen unseres Landes einsetzt! Kindern Elternliebe und ein geborgenes zu Hause zu verweigern, nur weil die Regierung das nicht grundsätzlich, aber zur Zeit noch opportun findet, ist alles andere als das Wohlergehen des Volkes im Auge haben!

Es ist zu hoffen, dass das Parlament vernünftiger ist und statt einem halben, einen ganzen Schritt in die richtige Richtung geht! Dem Kindswohl zuliebe!

Samstag, 18. Februar 2012

Ein offener Brief an die Cablecom

Liebe Cablecom

Seit 2010 wartet der Jugend-Tv-Sender Joiz darauf, von euch ins analoge Fernsehnetz aufgenommen zu werden.

Das Bundesamt für Kommunikation hat euch im November 2010 beauftragt, den Sender in euer analoges Fernsehnetz aufzunehmen. Dagegen sträubt ihr euch standhaft und kämpft auf dem juristischen Weg dagegen an. Obwohl ihr bei den ersten beiden Instanzen krachende Niederlagen erlitten habt, seid ihr bis vor Bundesgericht gezogen, wo der Fall noch hängig ist und weswegen Joiz noch immer nicht übers anaolge Fernsehnetz gesendet wird.

Trotz euren zahlreichen Begründungen warum ihr euch so standhaft sträubt, kann ich es noch immer nicht nachvollziehen. Ihr behauptet, dass aufgrund der begrenzten Kapazität bei Aufnahme von Joiz ein bestehender TV Sender aus dem Programm gekippt werden müsste, wie beispielsweise der Bayrische Rundfunk oder der Südwestrundfunk. Jesses! Der Bayrische Rundfunk müsste in der Schweiz aus dem analogen Netz gekippt werden! Das wäre nun wirklich eine Tragödie von riesigem Ausmass! Die analogen TV-Zuschauer der Schweiz müssten ab sofort auf Sendungen wie "Dahoam ist Dahoam", "Sterneköche in Bayern" oder gar "Glockenläuten aus Tüentenhausen bei Freising" verzichten. Und das alles wegen einem Jugendsender, von denen ja bereits massenhaft existieren, nicht wahr?

Rumgeblödel ohne Mehrwert?
Laut diversen Medienberichten wollt ihr Joiz aber auch nicht aufschalten, weil ihr das Programm als ein "Rumgeblödel" bezeichnet, aus dem "weder ein kultureller noch gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen werden" könne und ihr euch ab Begriffen wie "Heisser Scheiss" empört. Soso, interessant. Selbstverständlich würde ich es nie anzweifeln, den kulturellen Mehrwert für unser Land von Sendungen wie "Dahoam ist Dahoam" oder "Glockenläuten aus Tüntenhausen bis Freising" anzweifeln.  Zugegeben, ich habe diese Sendungen noch nie gesehen und musste das Programm des Bayrischen Rundfunkes googlen. Deswegen schalte man einmal an einem beliebigen Tag den Fernseher an und schaue sich das Programm an, das da auf unbestrittenen und erfolgreichen Sendern läuft. In diversen Sendungen, die als "real" verkauft werden, können wir hochqualifizierte Schauspieler dabei beobachten, wie sie sich mit äusserst realen Alltagsproblemen rumschlagen. Da gesteht eine korpulente Dame mittleren Alters, dass sie oftmals solchen Hunger hat, dass sie auch schon mal Klopapier isst (so viel zum Thema Heisser Scheiss). Eine vierzehnfache Mutter sagt, sie sei zu blöd die Pille zu nehmen und zu faul, Kondome zu kaufen und ihr arbeitsloser Mann nervt sich, dass er nicht so lange ausschlafen kann, wie er denn gerne möchte. Ein Mann will seine Liebste um Verzeihung bitten und bereitet ihr Leibgericht (Spaghetti an einer Dosen-Sauce) vor - indem er ein Planschbecken mit Spaghetti füllt, sich rein legt und sie zu sich zum Bade-Ess-Spass einladet. Also zappen wir zum nächsten Sender, wo eine Moderatorin zwei Talk-Gäste vor johlendem Publikum mit Resultaten von Lügendetektor- oder Vaterschaftstests konfrontiert. Zappen wir weiter, wo zwei Frauen ihre Familien für eine Zeit tauschen und sich dabei filmen lassen, wobei der Familienvater einer dieser Frauen erklärt, dass er für die Reinigung seines Hinterns nach dem Toilettengang nur ein einziges Blatt Toilettenpapier benötigt, da er seinen Hintern mit dem Finger reinigt und das einzelne Blatt Toilettenpapier nur dazu braucht, um "die Scheisse von meinem Finger und meinem Fingernagel zu reinigen" (das Thema "Heisser Scheiss" lässt uns offenbar nicht los). Wenn wir genug von diesem gesellschaftlich unverzichtbaren Mehrwert haben, wollen wir uns also von kulturellen Programm berieseln lassen und zappen zu Musiksendern. Leider wird auf diesen  Musiksendern kaum mehr Musik gespielt sondern prügelnde und kreischende Teenie Mütter bei ihren Alltagsproblemen gezeigt. Dazwischen ermuntern coole Werbespots die jugendlichen Zuschauer per SMS viel zu teure Spiele und Klingeltöne auf ihre Handys runterzuladen, was dann dazu führt, dass man zwei Sender weiter eine ganze Sendung über verschuldete Jugendliche ansehen kann, die doch nur den Klingelton ihres Lieblingssängers runterladen wollten. Wohlbemerkt: Wir reden hier vom Nachmittags- und Abendprogramm. Nicht erwähnt ist das Nachtprogramm, also all die Abzock-Shows, wo man sich telefonisch zuschalten kann und irgendwelche als Hellseher getarnte Clowns für 5 Franken pro Minute telefonische Lebensweisheiten wie "ich sehe, dass etwas auf dich zukommt" oder "in unserem heutigen Abendritual denken wir fest an dich" den Zuschauern auf ihren wahrscheinlich bald verschuldeten Lebensweg mitgeben. Oder die Quizshows, in denen man telefonisch "ganz einfach" mitmachen kann, die aber oftmals ungmöglich zu lösen sind.  Ganz zu schweigen von den "heissen Girls", die ab Mitternacht  "auf deinen Anruf warten".

Also vergleichen wir das Programm einmal mit Joiz. Reality Shows? Telefon- oder Internetsexwerbungen? Klingelton- bzw. Schuldenfallewerbungen? Hellsehershows? Quizshows die man gar nicht gewinnen kann, dafür aber umso mehr zahlt? Ah Moment, da haben wir doch was! Auch bei Joiz können sich die Zuschauer dazu schalten - dies aber völlig gratis und über das Internet, um direkt ihre Meinung in Sendungen einzubringen. Interaktion nennt man das, liebe Cablecom. Dahinter steht ein "crossmediales" Konzept, also Fernsehen mit Internet und sozialen Medien zu verbinden. Etwas, was es so noch auf keinem Sender in der Schweiz gibt.
Im Gegenteil, ich sehe auf Joiz von jungen Menschen auf junge Menschen zugeschnittene Sendungen, die aber einiges an höherem Niveau zu bieten hat, als die erwähnten Sendungen der unverzichtbaren Sendern. Es werden die neusten Musikvideos gesendet, auf die Interessen Jugendlicher zugeschnittene News ausgestrahlt und in diversen Formaten über Dinge diskutiert, die Jugendliche beschäftigen, sei dies über das Thema Sexualität, Internetsucht, Mobbing, Gewalt im Sport, etc. Und es existieren sogar Kochsendungen. Auch die sind auf Junge zugeschnitten, indem man Rezepte präsentiert, die ihnen schmecken und auch gesund sind.
Mit dem Format "Politbattle" (das zusammen mit der politisch breit bekannten Internetplattform politnetz.ch ins Leben gerufen wurde) werden Jugendliche sogar über politische Themen aufgeklärt, über Abstimmungsvorlagen informiert und zu Partizipation aufgerufen. Die Zuschauer können auch in dieser Sendung ihre Fragen per Internet live stellen und erhalten somit Antwort auf politische Fragen, die sie als brennend empfinden (was ich als junger Politiker äusserst wichtig finde). Von der Qualität, verbunden mit enormen Zeitaufwand und Herzblut, welches das junge Joiz-Team in diese Programme setzt, konnte ich mich bereits mehrmals persönlich vor Ort überzeugen! Nicht zuletzt aus diesen Gründen wurde Joiz am diesjährigen Swiss ICT Award mit dem Publikums- und Newcomerpreis ausgezeichnet.

Und ihr habt tatsächlich die Nerven, Joiz als "Rumgeblödel ohne kulturellen oder gesellschaftlichen Mehrwert" zu bezeichnen?! Umso lächerlicher wird dieses Argument, wenn man bedenkt, dass ihr Joiz in eurem digitalen Netz anbietet. Wenn Zuschauer also für euer Programm zahlen, dann wollt ihr ihnen dieses "Rumgeblödel" nicht vorenthalten?!
So als Randbemerkung: Sogar die NZZ hat kürzlich einen ganzsseitigen Bericht über Joiz abgedruckt - mit der Überschrift "Heisseste Scheisse" (konsequenterweise müsstet ihr die NZZ also auch als Rumgeblödel ohne kulturellen oder gesellschaftlichen Mehrwert bezeichnen).

Markt Vs. Staat?
Vielleicht habt ihr auch die Lächerlichkeit dieses Arguments erkannt, weswegen ihr jetzt noch versucht, die Marktfundamentalisten zu eurer Unterstützung zu rufen und dies als Kampf eines Unternehmens gegen den bevormundenden Staat empor stillisiert. Auch das ist verfehlt, liebe Cablecom. Artikel 60 Absatz 1 Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) erlaubt es der Bakom die Aufnahme eines Senders zu verpflichten, wenn dieser besondere verfassungsrechtliche Aufträge erfüllt. Der verfassungsrechtliche Auftrag besteht darin, einen Beitrag zur kulturellen Entfaltung, freier Meinungsbildung und Unterhaltung zu leisten. Da gemäss Aussagen des Bundesrates die durchschnittlichen Zuschauer des Schweizer Fernsehens zwischen 45 und 60 Jahre alt sind, der Leistungsauftrag aber für Menschen jeden Alters gilt, hat das Bakom entschieden, euch zu verpflichten Joiz aufzuschalten. Als das RTVG (mit diesem Art. 60 Abs. 1) vom Parlament fertig beraten wurde, habt ihr nicht dagegen gekämpft. Die Möglichkeit des Staates, euch irgendwann einmal zu verpflichten einen Sender aufzunehmen, hat euch also damals nicht gross gestört. Jetzt, wo der Gegner aber plötzlich ein Jugendsender und kein Schweizer Parlament ist, merkt ihr, dass ihr mir diesem Artikel doch nicht ganz einverstanden seid? Ihr seid in dieser Geschichte als nicht David, der gegen Goliath antritt. Es ist eher umgekehrt, ihr seid der Goliath, der gegen den Jugendsender David antritt und ihn mit zermürbenden und langwierigen juristischen Mitteln bekämpft.

Apropos freier Markt, die Tatsache, dass ihr Joiz nur gegen Bezahlung anbietet (also über euer digitales, kostenpflichtiges Netz), dafür aber den Bayrischen Rundfunk behalten wollt, riecht verdächtigt nach finanziellen Motiven. Könntet ihr vielleicht darauf spekulieren, dass die Zuschauer in der Schweiz eher für Joiz als für den Bayrischen Rundfunk bezahlen würden? Ein Schelm, wer Böses denkt!

Lasst den Scheiss!
Man kann es drehen und wenden, wie man möchte: eure Argumentation gegen Joiz verfängt nicht. Sei es aus Abneigung gegen das Programm, aus Ablehnung gegen den bevormundenden Staat, aus finanziellen Interessen oder gar aus inniger Liebe zum Bayrischen Rundfunk: Es gibt keinen Grund Joiz nicht über euer analoges Netz anzubieten. Es ist mir bewusst, dass ein Rückzug eurer Beschwerde beim Bundesgericht in diesem Verfahrensstadium nicht mehr realistisch ist. Trotzdem appelliere ich an euch: egal wie das Urteil ausfällt, schaltet Joiz auf! Hört auf Joiz und die Jugend unseres Landes zu bekämpfen! Oder um es in der Sprache der Jugend auszudrücken: Lasst den Scheiss!

Beste Grüsse

Alan David Sangines